INSPIRATION: Ich bin immer auf der Suche nach interessanten Beispielen für gelungene Selbstorganisation (einfach weil ich davon überzeugt bin, dass Menschen in der Lage sind, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen). Und siehe da: Man wird sogar im Straßenverkehr fündig. Wie das?
Winfried Gertz beschreibt in der Personalwirtschaft ein Modell, das offenbar in Städten in der Schweiz und Österreich funktioniert (Agil statt automobil). Hierzulande sind verkehrsberuhigte Zonen ja dadurch gekennzeichnet, dass die Geschwindigkeit begrenzt wird, mit der Autos sich bewegen dürfen. Und alle möglichen Hindernisse in den Weg gebaut werden (Baum-Inseln und hässliche Kübel, in den Pflanzen vor sich hingammeln), in denen es aber weiterhin Fahrstreifen, Bürgersteige, Radfahrwege etc. und die dazugehörigen Regeln gibt.
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Oder es gibt Spielstraßen, in denen die Fußgänger Vorrang haben vor Autos. Woanders wird der Autoverkehr ganz ausgeschlossen (Fußgängerzone). Hiervon unterscheiden sich die Begegnungszonen offenbar in einem Punkt ganz fundamental: Hier hat nämlich kein Verkehrsteilnehmer Vorrecht – „alle teilen sich gleichberechtigt die Straße: Passanten, Fahrräder, Autos oder Lastwagen.“
Weniger Schilder, mehr Aufmerksamkeit
Es gibt keine Ampeln (es sei denn, es fahren noch Straßenbahnen durch die Straßen). Und außer einer Obergrenze von 20km pro Stunde gibt es noch Bereiche, in denen Halten erlaubt ist. Und wie regelt sich das „Zusammenleben“? Praktisch auf Zuruf, per Handzeichen – „man verständigt sich spontan.“ Das funktioniert, und zwar so gut, dass die Zahl der Unfälle in der Begegnungszone Mariahilfer Straße in Wien von 51 auf 18 pro Jahr sank. Das Prinzip, das hier wirkt: Weniger Schilder führen dazu, dass die Verkehrsteilnehmer viel mehr aufeinander als auf Schilder achten – klingt irgendwie logisch.
53% der Anwohner hatten vorher für diese Form der Verkehrszone gestimmt, jetzt liegt die Zustimmung bei 71%. Und noch ein Gewinn: Die Geschäfte in dem Bereich haben keine Einbußen, „die geringe Zahl der autofahrenden Kunden wird durch jene, die zu Fuß gehen oder mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln kommen und länger verweilen, mehr als kompensiert.“
Was hat das mit Unternehmen zu tun? Ganz einfach: Auch in Organisationen gibt es zahlreiche Regeln. Und so wie Verkehrsteilnehmer nicht mehr auf Schilder achten müssen, stattdessen auf andere Verkehrsteilnehmer, so könnte der Wegfall von Regeln oder die Reduzierung auf einige wenige vielleicht dazu führen, dass mehr auf das Eigentliche, den Zweck der Organisation oder der Organisationseinheit, geachtet wird. Ein reizvoller Gedanke.