21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Brauchbare Illegalität

INSPIRATION: In regelmäßigen Abständen rücken Unternehmen mit illegalen Machenschaften ins Licht der Öffentlichkeit, der Aufschrei ist groß. Verantwortliche werden gesucht und entlassen, Compliance-Abteilungen aufgestockt und neue Manager installiert. Aber ändert das etwas?

In einem sehr anschaulichen Beitrag in der Weiterbildung (Die alltägliche Normalität der Regelabweichung) erklärt Stefan Kühl, wie es zu solchen „Skandalen“ kommen kann. Die Basis ist die „brauchbare Illegalität“. In jedem Unternehmen gibt es offizielle Regeln, die Vorgaben, wie es zu laufen hat. Aber würden sich alle immer streng an diese Regeln halten, wäre Stillstand die Folge. Wie der Begriff „Dienst nach Vorschrift“ schon sagt: Wenn alle Anweisungen exakt ausgeführt werden, wird gar nichts mehr funktionieren. Deshalb besteht das Leben in Organisationen aus unendlich vielen kleinen Regelabweichungen, aus kleinen Dienstwegen. Diese sichern das Funktionieren der Organisation und sichern den Bestand der formalen Regeln.

Alle wissen das, auch das Management. Natürlich nie offiziell, denn dann müsste man diese Verstöße ja ahnden oder die Regeln ändern – was letztlich jede Organisation überfordern würde. Der Regelverstoß ist also der Normalzustand.

Dann gibt es die Zielvorgaben. Um diese zu erfüllen, müssen Mitarbeiter experimentieren, Dinge ausprobieren und dabei natürlich auch mal Regeln überschreiten. Da können Mitarbeiter ziemlich kreativ sein, schließlich hat das Nicht-Erreichen von Zielen für sie persönlich Konsequenzen.

Ist das Ziel mit Mitteln erreicht, die nicht ganz sauber sind, lässt sich der Zug nur noch schlecht aufhalten, es etablieren sich Routinen, die erwähnte „brauchbare Illegalität“, die natürlich nie offiziell von oben abgesegnet wird. Denn das Management hat ein Problem: Es weiß von den Verstößen, muss aber so tun, als wisse es nichts. Es muss die „Schauseite““ der Organisation aufrecht erhalten. Zu dieser gehören nicht nur das interne Regelwerk, sondern auch all die Leitlinien, Wertedarstellungen, Berichte und Veröffentlichungen der Kommunikationsabteilungen. Feiner Hinweis: „Auf Managementkonferenzen lernt man in der Regel nur die neuesten Ornamente im Fassadenmanagement kennen, nie das, was in den Organisationen wirklich abgeht.“ Da ist wohl viel Wahres dran.

Nun haben in der modernen Welt die Konzerne ein Problem. Im geschützten Rahmen des eigenen Landes mag es noch funktionieren, das Kungeln mit der Politik sorgt für Sicherheit. Im Fall der Automobilindustrie hat sie nicht nur immer ein Auge zugedrückt hat, sondern sogar Gesetze zum Wohle der Wirtschaft gestrickt. Aber wer global unterwegs ist, der läuft Gefahr, in anderen Ländern aufzufliegen. Also was tun?

Die Compliance-Abteilungen aufzustocken ist kaum hilfreich. Kühl vermutet, dass diese intern auch nur die Schauseite präsentiert bekommen, so wie die Betriebe auf Hochglanz getrimmt werden, wenn der Vorstand sich ankündigt. Sein Tipp: „Die brauchbaren Illegalitäten so zu managen, dass bei ihrem Bekanntwerden ein Konzern nicht daran zerbricht.“

Aber wie soll das gehen? Ein Manager muss doch immer dann, wenn er Hinweise auf Regelverstöße bekommt, mit dem Hinweis reagieren: „Das will ich gar nicht wissen!“ Worauf er wegschaut und die Sache billigend in Kauf nimmt. Denn wenn er zugibt, dass er davon weiß, müsste er reagieren, sonst ist er nicht glaubwürdig und muss damit rechnen, dass er später als Mitwisser geopfert wird. Wie soll er denn signalisieren, was noch im Rahmen des Erlaubten ist und was zu weit geht? Wie weit würde ein Regelwerk aufgebläht, wenn hierbei Ausnahmen zugelassen und definiert würden?

Ich denke, man könnte schon mal ein Übel abschaffen, nämlich die Zielvorgaben. Zum anderen müsste man, statt noch mehr Regeln einzuführen, eher Prinzipien vorgeben, lediglich Leitplanken, innerhalb derer sich die Mitglieder einer Organisation zu verhalten haben. Ein Beispiel:

Ich kann vorschreiben, dass bei bestimmten Arbeiten immer ein Helm getragen werden muss. Wenn ich aber weiß, dass es Stellen im Betrieb gibt, an denen ein Arbeiten mit Helm massiv beeinträchtigt wird, kann ich wegschauen und so tun, als sehe ich den Verstoß nicht. Oder ich stelle ein Prinzip auf, nachdem grundsätzlich im Betrieb ein Helm zu tragen ist, es aber im Ermessen des Mitarbeiter liegt, diesen abzusetzen, wenn er die eigentliche Arbeit behindert und damit das Risiko erhöht. Realistisch?

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert