15. September 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Der Golem

INSPIRATION: Eine sehr alte Erkenntnis: Wenn wir von anderen für untalentiert gehalten werden, dann werden wir vermutlich auf dem betreffenden Gebiet wenig erreichen. Die berühmte sich selbst erfüllende Prophezeihung: „Das schaffst du nie!“ muss man nur oft genug hören, dann schafft man es auch nicht. Bitter für viele, die solche Sätze in der Schule zu hören bekamen oder von ihren Eltern. Das Phänomen nennt man auch den Golem-Effekt (Bezwinge den Golem).

Wobei das sicher kein ausschließlich bewusster Prozess ist. Wer seinem Mitarbeitenden, warum auch immer, nicht zutraut, eine Sache zuverlässig und penibel zu bearbeiten, der wird ihm die kniffligen Aufgaben nicht übertragen. Womit dieser weder beweisen kann, dass er doch dazu in der Lage ist, noch es lernen wird. Beim nächsten Mal passieren ihm also die gleichen Fehler – was zu beweisen war.


Anzeige:

Die Arbeitswelt braucht agile Coachs, um Selbstorganisation, Innovation und neues Rollenverständnis zu implementieren. Die Neuerscheinung „Agiler Coach: Skills und Tools“ liefert für jeden agilen Coach eine beeindruckende Bandbreite an Grundlagen, Methoden und Werkzeugen für die Team- und Mitarbeiterentwicklung im agilen Arbeitsalltag. Zum Buch...


Aber selbst wenn sich eine Führungskraft dieses Phänomens bewusst ist und ganz gezielt diesem Mitarbeitenden eine entsprechende Aufgabe anvertraut, so wird er sie ihn spüren lassen, dass sie skeptisch ist – was das Phänomen verstärkt.

Was ist mit Pygmalion?

Umgekehrt funktioniert die sich selbst erfüllende Prophezeiung aber auch. Man kennt das unter dem „Rosenthal-Effekt“ – die Experimente des gleichnamigen Autors zeigten, dass positive Erwartungen von Versuchsleitern das Ergebnis der Leistungen der Probanden verbesserten. Wobei die Probanden im Original-Experiment Ratten waren. Bei Lehrern und ihren Schülern wurde Ähnliches nachgewiesen, auch wenn die Experimente später kritisiert wurden (Pygmalion-Effekt).

Was ich mich bei beiden Effekten schon immer gefragt habe: Selbst wenn mir bewusst ist, dass ich als Führungskraft, Trainer, Lehrer, Vater, Mentor usw. negative Erwartungen hege nach dem Motto: „Na, ich fürchte, das schaffte er/sie nicht!“ und damit den weiteren Gang der Dinge negativ beeinflusse – wie kann ich solche Erwartungen ablegen? Wird nicht jeder Hinweis, jeder kleine Fehler, jedes winzige Versagen meine Haltung nur noch verstärken?

Vermutlich ja. Deshalb reicht ein „Sich-Bewusst-Machen“ nicht aus. Dazukommen muss die Lenkung der Wahrnehmung auf die positiven Aspekte eines Verhaltens oder einer Leistung. Das hat ein Experiment von Forschern der Universität Tel Aviv gezeigt. Es ging um einen Fitnesstest bei Rekruten. Deren Leistung verbesserte sich, nachdem man mit Offizieren über die Möglichkeit einer positiven Interpretation der Ergebnisse gesprochen hatte.

Positive Aspekte

Ich versuche mir das mal vorzustellen. Da regt sich eine Führungskraft darüber auf, dass ein Mitarbeiter immer wieder fehlerhafte Mails an Kunden verschickt. Entsprechend ist sie auf diesen Mitarbeiter schlecht zu sprechen. Nun überlegt sie zusammen mit einem Coach, was denn vielleicht positiv an diesen Mails sein könnte. Ihr fällt ein, dass der Mitarbeiter über das notwendige Selbstvertrauen verfügt, den Kunden von sich aus zu informieren, ohne jedes Mal sich zurück zu versichern. Dieser positive Blick könnte dazu beitragen, dass die Fehler zurückgehen?

Möglicherweise. Denn statt weiter genervt den Kollegen auf seine Fehler hinzuweisen oder ihn zu verdonnern, erst jede Mail über den eigenen Bildschirm laufen zu lassen, wird die Führungskraft vielleicht das Engagement anerkennen und entweder die Fehler nicht so eng sehen oder das Feedback ausgewogen gestalten. Wäre ein Fortschritt, oder?

Teile diesen Beitrag:

Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

Alle Beiträge ansehen von Johannes Thönneßen →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert