11. Juni 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Die Kunst des Vermutens

INSPIRATION: Kennen Sie den Unterschied zwischen Risiko, Unsicherheit und Ungewissheit? Wir verwenden diese Begriffe im Alltag häufig synonym, was im Unternehmen aber keine gute Idee ist. Erklären und Kaduk und Osmetz in der managerSeminare (Ignorierte Ungewissheit). Und warum Unternehmen sich so schwer tun, mit Ungewissheit umzugehen.

Als Risiko würde man eine „objektiv-logische Wahrscheinlichkeit“ bezeichnen. Wenn man also ganz genau berechnen kann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, zum Beispiel im Lotto zu gewinnen. Wenn ich diese Wahrscheinlichkeit kenne, kann ich eine bewusste Entscheidung treffen und brauche mich nachher nicht zu wundern, wenn das betreffende Ereignis eintritt bzw. (wie beim Lotto) eben nicht eintritt.

Unsicherheit ist die „empirisch erhobene Wahrscheinlichkeit“. Wenn ich alle möglichen Messdaten sammle und auf der Basis dieser Daten eine Vorhersage treffe, dann kann ich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das Ereignis eintrifft. So wie man Wetterdaten sammelt, erkennt, dass es um 16:30 Uhr mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% regnen wird. Wenn ich dann anfange Heu zu machen, darf ich mich nicht wundern, wenn es nass wird.

Unternehmen (aber nicht nur diese) sind gut beraten, solche Daten zu nutzen und in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. Aber was ist nun mit Ungewissheit? Hier gibt es keine Daten, auf deren Basis ich eine Wahrscheinlichkeit errechnen kann. Ich kann bestenfalls Vermutungen anstellen. Und darin sind Unternehmen geradezu genial. Warum?

Weil sie dann zugeben müssten, dass sie der Ungewissheit hilflos gegenüber ausgesetzt sind. Also tun sie so, als handele es sich um Unsicherheiten, indem sie fleißig prognostizieren und planen. Damit erscheinen sie als handlungsfähig und kompetent, so, als könnten sie die Zukunft vorhersehen. Das ist „zutiefst menschlich“, denn schließlich möchte niemand als hilflos erscheinen, schon gar nicht, wenn man in einer Top-Management-Position sitzt.

Dann tut man lieber so, als habe man alles im Griff, plant noch genauer und berechnet Zahlen bis auf zwei Stellen hinter dem Komma und stellt daraufhin Budgets zusammen. Der Aufwand, den man hierfür betreibt, steht dabei oft in keinem Verhältnis zu dem Nutzen. Er dient letztlich nur dazu, am Ende, wenn alles anders gekommen ist, sagen zu können: „Wir haben alles getan, was möglich war, aber dass das nun passiert, konnte niemand vorhersehen!“

Das Falsche noch präziser tun?

Die Autoren empfehlen, sich mal im Firmenarchiv die letzten zehn Jahre anzuschauen und die damals aufgestellten Prognosen mit den tatsächlichen Zahlen zu vergleichen. Dann schätze man den Aufwand ab, der notwendig war, um die Prognosen zu erstellen und konfrontiere das Management mit den erhobenen Daten. Und überlege sich anschließend, was man Sinnvolles mit der verschwendeten Zeit hätte in Angriff nehmen können.

Wie aber lautet die Alternative? Diese ist nun längst bekannt: Statt im Nebel der Zukunft zu stochern und „das Falsche noch präziser zu tun“, lieber die Ungewissheit akzeptieren. Und sich dann ganz auf die aktuelle Situation konzentrieren. Das heißt: Regelmäßig die aktuellen Umsätze, Aufwände und Deckungsbeiträge, Reklamationsquoten und Verkaufsentwicklungen erfassen.

Natürlich braucht es eine Finanzplanung, aber die muss regelmäßig angepasst werden. Womit sich solchen seltsamen Dinge wie Zielvereinbarungen, Budgetplanungen, Absatz-, Umsatz- und Kostenvorgaben erledigen. Stattdessen, so z.B. bei bei der Heiler Glas GmbH, werden die erhobenen Zahlen transparent gemacht und gemeinsam auf Betriebsversammlungen gemeinsam diskutiert. Und man entscheidet gemeinsam über strategische und strukturelle Fragen.

Klingt sinnvoll …

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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