Manchmal ist es ganz hilfreich, über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Frage, ob Menschen sich entwickeln können, wenn sie gezwungen werden, an einem Coaching oder einer Mediation teilzunehmen, ist aus einem anderen Kontext heraus spannend. In einem Beitrag über „Zwangskontexte“ in der sozialen Arbeit (Freiwilligkeit und Zwang) wird zwar auch betont, dass die fehlende Freiwilligkeit zur Teilnahme an einer solchen „Maßnahme“ als Voraussetzung für den Erfolg gesehen wird – allerdings mit Einschränkungen.
In der sozialen Arbeit dürfte es ziemlich häufig vorkommen, dass Teilnehmer an einer Mediation praktisch gezwungen werden, weil sie wissen, dass sie sonst vermutlich sogar im Gefängnis landen oder zumindest mit Strafen rechnen müssen. Dennoch können die Vermittlungsversuche erfolgreich verlaufen, denn die „Freiwilligkeit“ bzw. die Bereitschaft, sich auf den Prozess einzulassen, kann sich durchaus während der Maßnahme einstellen – auch wenn das sicher nicht immer der Fall ist.
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Natürlich muss sich diese Bereitschaft irgendwann einstellen, wenn die Teilnahme durch Zwangselemente aufrechterhalten werden muss, werden die Ergebnisse nicht nachhaltig sein. Lässt sich das auf das Coaching und die Mediation im Wirtschaftsumfeld übertragen? In gewissen Sinne schon, finde ich.
Klar, es gibt Coaching, da kommt der Klient aus eigenem Antrieb und spricht den Coach an, weil er ein Problem lösen möchte. Aber was, wenn die Hierarchie oder „wichtige Netzwerkakteure“ einen starken Druck ausüben? Was, wenn der Vorgesetzte mehr oder weniger direkt mit Konsequenzen droht? Oder der Lebenspartner? Würde man immer noch von Freiwilligkeit sprechen, wenn der Coaches den Coach aufsucht, weil der Vorgesetzte ihm ein Ultimatum gesetzt hat, bis wann er deutliche Veränderungen im Verhalten sehen will? Oder der Partner mit Trennung droht?
Auch hier drohen bei Ablehnung ja massive Konsequenzen, auch wenn da kein Gericht etwas verfügt hat. Man könnte sich auf einen extremen Standpunkt stellen: Wenn jemand den Coach oder Mediator aufsucht, dann hat er sich dazu entschieden – egal, welcher Druck bzw. welche Not dahinter steht. Jeder hat die „innere Freiheit“, stattdessen die angedrohten Konsequenzen zu wählen.
Mit anderen Worten: Wenn jemand nicht mit Gewalt zum Mediator geschleppt wurde, ist es zunächst seine „freie“ Entscheidung. Andererseits: Je nach äußerem Einfluss mag zwar das Erscheinen freiwillig sein, die Bereitschaft zur Mitarbeiter allerdings dürfte extrem gering sein. Was dann?
Die Annahme sollte lauten: „Motivation kann sich in einer professionellen Interaktion entwickeln.“ Eine sehr hilfreiche Annahme, ohne sie könnte man vermutlich die meisten Interaktionen von vornherein ablehnen. Die Empfehlungen, die der Sozialarbeiter gibt, sehen so aus:
- Der Mediator lotet die jeweiligen Erwartungen und Einflüsse aus und klärt die Handlungsoptionen aller Beteiligten. „Zwang, Druck, Sanktionen sollten unbedingt thematisiert werden.“
- Fokussierung auf die Veränderungsmotivation: Es gilt herauszufinden, wo die betroffene Person steht, welche Bedürfnisse, Anreize und Ziele sie hat.
Es geht also darum, das Phänomen „Freiwilligkeit“ in „strukturelle und individuelle Komponenten gemeinsam mit den Beteiligten zu zerlegen und zu bearbeiten.„ - Entwicklung einer tragfähigen, zugewandten und vertrauensvollen Beziehung – der zentrale Wirkfaktor, ohne den eine Intervention wirkungslos bleibt.
Gute Auftragsklärungsgespräche werden hierfür die Basis legen. Ich vermute allerdings, dass viele Coachs sich schwer tun, den „Zwang“ früh zu thematisieren, sondern eher hoffen, dass sich durch den dritten Punkt (Beziehung zum Coachee) die Freiwilligkeit irgendwann einstellt.