PRAXIS: Der Klassiker: Jemand, zum Beispiel ein Mitarbeiter, möchte etwas von uns. Oder lehnt etwas ab, das wir von ihm möchten. Unsere typische Reaktion wäre nun, unsere eigene Position durch Argumente zu verstärken. Was in der Regel dazu führt, dass der andere wiederum seine Position nur noch vehementer vertritt und seinerseits Argumente hierfür auf den Tisch legt. Argument führt zu Gegenargument, die Positionen verhärten sich.
Tatsächlich gibt es natürlich hinter jeder Position Interessen und Bedürfnisse. Gelingt es uns, diese zu erkennen, können wir versuchen, hierfür gemeinsam Lösungen oder Alternativen zur ursprünglichen Forderung zu finden.
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Die erste Frage hierzu lautet: „Was wäre gewährleistet, wenn …“ (Interessen wörtlich wahrnehmen). Kommt also ein Mitarbeiter mit einer Forderung nach einer Gehaltserhöhung zu Ihnen, oder ein Kollege möchte, dass Sie ihn bei einer Besprechung vertreten, dann könnten Sie diese Frage stellen: „Was wäre gewährleistet, wenn Sie mehr Gehalt bekämen?“ oder „Was wäre gewährleistet, wenn ich dich bei diesem Meeting vertrete?“
Das höhere Gehalt soll ja ein oder mehrere Bedürfnisse erfüllen (Wunsch nach Anerkennung, nach gerechter Behandlung, nach Weiterentwicklung …). Und auch hinter der Forderung der Vertretung steckt ein Interesse (Bearbeitung wichtiger Aufgaben, Entlastung bei Überforderung, Gefühl beim Meeting keinen Nutzen stiften zu können …).
Die Interessen hinter den Forderungen
Auf diese Frage kann der andere eben diese Bedürfnisse äußern: „Dann würde ich mich fairer behandelt fühlen …“ Oder: „Dann hätte ich das Niveau, dass mir mal in Aussicht gestellt wurde.“ Oder: „Das würde dann endlich die ständig anfallenden Überstunden abdecken.“
Im Falle der Vertretung: „Dann könnte ich mich dringenden Aufgaben widmen.“ Oder: „Du könntest zu den Themen viel mehr beitragen, ich bin da kaum betroffen.“ Auch: „Ich war schon bei den letzten drei Meetings und finde es an der Zeit, dass mal andere dort auftauchen.“
Vielleicht geben Sie sich nicht mit der ersten Antwort zufrieden, sondern fragen mehrfach nach: „Und außerdem?“ Oder: „Was noch?“
Wenn Sie die Interessen nachvollziehen konnten, folgt die nächste Frage, eine hypothetische: „Angenommen, wir fänden eine andere Möglichkeit, für Fairness zu sorgen, könnten Sie dann auf eine Gehaltserhöhung im Moment verzichten?“ Oder: „Angenommen, wir fänden eine Möglichkeit, dass die dringenden Aufgaben bearbeitet werden – könntest du dir vostellen, doch an dem Meeting teilzunehmen?“
Vorausgesetzt, Sie haben die tatsächlichen Bedürfnisse hinter der Forderung erfasst, lassen sich in der Regel Lösungen finden, die für beide Seiten akzeptabel sind.
Nach: Martin Wehrle – Interessen wörtlich wahrnehmen. managerSeminare, 04/2019, S. 42