INSPIRATION: Der Marketing-Gag ist über 10 Jahre alt, kaum zu glauben. Damals berief ein Beratungsunternehmen einen Algorithmus in den Vorstand und gab ihm ein Stimmrecht bei Investitionsentscheidungen. Nun sind viele Jahre ins Land gegangen, und die Entwicklung in Sachen generative KI sind extrem schnell vorangeschritten. Da müsste doch inzwischen in jedem Aufsichtsrat, in jedem Vorstand, ach was, in jedem Team mindestens ein KI-Kollege sitzen, der eifrig mit diskutiert und Entscheidungen trifft.
Weit gefehlt, wie zwei Professoren im Harvard Business Manager berichten (Hallo Claude!). Hier ist die Rede von Aufsichtsräten, 50 von ihnen wurden befragt, und die Skepsis ist nach wie vor groß. Aber immer mehr greifen auf KI zurück, sei es, um Informationen zu den anstehenden Tagesordnungspunkten zu sammeln, die Diskussionspunkte zu strukturieren oder um Alternativen zu den Vorschlägen des Managements zu finden.
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Da kommt die Fallstudie eines großen Schuhherstellers aus Österreich wie gerufen (Der Chefbot). Dort wurden gerade größere strategische Änderungen geplant Zwei Forscher haben das Führungsteam begleitet und verschiedene Varianten des Einsatzes von ChatGPT eingesetzt. Zunächst ließen sie die KI an der Vorbereitung der Meetings teilhaben, indem sie Vorschläge zu den Themen, die diskutiert werden sollten, erstellte. Außerdem sollte sie zu einzelnen Themen schon Empfehlungen unterbreiten, die dann im Meeting präsentiert wurden. Erkenntnis: Die Führungskräfte fanden die Beiträge und Vorschläge banal und wenig hilfreich.
Meeting-Routinen unterbrechen
Dann fütterte man während der Meetings die KI mit Fragen zu den jeweiligen Themen und ließ sie alternative Vorschläge unterbreiten, z.B. für alternative Produkte. Hier war die Reaktion interessant: Die Teilnehmer empfanden diese Interventionen als hilfreich, denn sie durchbrachen die gewohnten ”Denk- und Interaktionsmuster”. Nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit konnte die Kollegen die Beiträge der anderen ”fast schon zu Ende sprechen”. Man kennt sich halt, Neues kommt dabei nicht heraus. So aber mussten sie innehalten und über neue Aspekte nachdenken, die Diskussionen wurden differenzierter.
Ein zweiter, eher kritischer Effekt: Das Team gewöhnte sich rasch an die Rolle der KI. Und man verließ sich zunehmend darauf, dass sie Dinge finden würde, die man selbst übersehen hatte. Was aber nicht immer passierte. Bedeutet: Der Einsatz der KI erspart nicht das gründliche Hinterfragen – Nachdenken hilft auch hier.
Und schließlich: Die KI half, Kosten und Aufwand zu sparen. Während früher immer dann, wenn neue Fragen gestellt wurden, erst wieder neue Recherchen angestellt werden mussten, lieferte ChatGPT die entsprechenden Daten, Zahlen und Schätzungen sofort. Und ersparte dem Vorstand den Einsatz einer Kommunikationskultur – die Veröffentlichung von Entscheidungen traute man sich jetzt mit KI-Hilfe selbst zu.
Informationslücken schließen
So ähnlich sehen das auch die Autoren des Beitrags „Hallo Claude!”. Wobei Aufsichtsräte noch ein anderes Problem haben, dass die KI löst: Da sie nur selten tagen, fehlt es ihnen oft an Informationen. KI kann diese Informationslücke schließen – wenn sich das jeweilige Mitglied vorab die Zeit nimmt und die KI als Sparringspartner für anstehende Entscheidungen nutzt. Außerdem hilft sie im Meeting, die getroffenen Entscheidungen abzusichern. Vielleicht haben Sie auch schon mal Ähnliches probiert: Sie wägen erst selbst die Fakten ab und kommen zu einem Ergebnis, anschließend fragen Sie die KI – und wenn diese zu dem gleichen Ergebnis kommt, beruhigt das sicher.
Witzig: Die KI kann auch die Diskussion verfolgen und anschließend Auskünfte über den Redeanteil der Beteiligten geben oder den Tonfall während des Treffens analysieren, kommentieren und Vorschläge zur Verbesserung machen. Sogar vor Floskeln und Buzzwords warnen. Peinlich für diejenigen, die diese gern nutzen.
Eigene Modelle nutzen?
Und die Risiken? Diese werden auch hier benannt, und das ist schon spannend: Da ist einerseits die Sorge, dass es zu Informationslecks kommt. Wer eine KI mit firmenspezifischen Fragen konfrontiert, verrät ihr eine Menge über das, was gerade aktuell diskutiert wird – da möchte niemand, dass das nach außen dringt. Nun kann man speziell für das eigene Unternehmen konstruierte und mit eigenen Daten gefütterte Modelle nutzen – aber wie soll dann Neues entstehen? Dennoch geben sich die Autoren optimistisch: Die neuen Generationen von KI, speziell die Reasoning-Modelle, können auch logische Schritte durchdenken und Szenarien entwickeln – und nicht nur auf Basis vergangener Daten Altbekanntes produzieren.
Bleibt zum Schluss die Frage, wie man Menschen, die ihr Leben lang gewohnt sind, sich für die Schlauesten zu halten und intuitiv die richtigen Entscheidungen zu treffen, dazu bringen, sich auf den Dialog mit einer KI einzulassen. Bis die junge Garde ganz oben oder gar in den Aufsichtsräten angekommen ist, vergehen noch einige Jahre. Empfehlung: Die Manager sollten langsam herangeführt werden, nicht gleich mit der vollen Ladung überfordert werden. Ein erfahrener KI-Coach kann helfen, am besten sogar als Einzelunterricht. Nun denn …

Ich sage nur: Kreativität war, ist und wird nie künstlich sein. Menschen , die einen Chatboot füttern, sind unvollkommen, emotional und durch die Begrenzung ihres Hirns nicht in der Lage vorausschauend einer KI „richtige“ Entscheidungen beizubringen. Wir sind unvollkommen – auch auf höchsten Kompeenzniveau.