13. April 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Leben ohne Selbstwirksamkeit

INSPIRATION: Geht es Ihnen am Ende eines guten Buches auch manchmal so? Das Ende naht, aber am liebsten würden Sie immer weiter lesen. Ähnlich bei einem Film. Oder einem sportlichen Wettkampf. Oder einem Urlaub. Oder einer anstrengenden Wanderung. Dabei ist es eben genau dieses Ende, das so wertvoll ist. Alles hat einmal ein Ende. Wirklich?

Heute ist das nicht mehr so. Scrollen Sie mal bei YouTube nach unten – es gibt dieses Ende nicht mehr. Wo früher ein Musikalbum nach 15 Songs endete, gibt es heute Playlists, die keinen letzten Song kennen. So wie es auf Instagram auch keinen letzten Post gibt. Ist das nun gut oder schlecht?

Unser Gehirn sei darauf nicht eingestellt, sagt Henning Beck (Endlos gelangweilt). Es ist trainiert, auf ein Ergebnis hinarbeiten und dann für eine Leistung belohnt zu werden. So wie wir stolz sind, wenn wir etwas fertig gestellt haben. Einen Berg erklommen, ein Spiel beendet, einen Artikel abgeschlossen, eine Mahlzeit zubereitet haben. „Stolz entsteht nur, wenn man etwas geschafft hat.“

Und wenn sie nicht gestorben sind …

Genau das passiert aber nicht, wenn wir von einem Video zum nächsten hüpfen. Zwar gab es auch früher schon Dinge, die praktisch nie endeten. Briefmarken sammeln zum Beispiel. Da hatte der Sammler auch nie sämtliche Exemplare, denn es kamen ja ständig wieder neue heraus. Aber er hatte zumindest etwas vorzuzeigen. So wie der Büchernarr, der seine Wände vollstellte. Oder der Musikfan, der Regale mit Schallplatten oder CDs füllte. Da sieht man zumindest das Ergebnis seiner Sammelleidenschaft und führt sie stolz seinen Freunden vor.

„Aber niemand prahlt damit, dass 500 Videos auf Instagram geschaut hat.“ Und trotzdem verbringen wir viel Zeit damit, endlos durch Social Media zu scrollen, immer auf der Suche nach – ja, was eigentlich? Etwas besonders Interessantes, etwas, dass wir noch nie gesehen oder gehört haben? Das Ergebnis: Wenn wir uns dann endlich davon lösen, fragen wir uns, was uns das eigentlich gebracht hat. Becks Antwort: „Ein Leben ohne Selbstwirksamkeit“. Den Zustand beschreibt er als „satt und hungrig“ zugleich. Zu gelangweilt, um weiterzumachen, zu neugierig, um das Handy beiseitezulegen.“

Rückkehr der Salonkultur

Gibt es Hoffnung? Offenbar ja: Stephan Jansen erklärt, dass es Hinweise für ein Nachlassen der Nutzung von sozialen Netzwerken gibt, Stichwort „News Fatigue“. Und Umfragen ergaben, dass nur noch 60% glauben, dass Social Media zum Glück beitragen (Was kommt nach Sozial Media?). Stattdessen sieht er eine Tendenz oder eine Renaissance von Salonkulturen, „ein Bedürfnis nach inklusiveren und entdramatisierten Formen des Austauschs in der realen Welt.“ Präsenz ist das Stichwort, wobei er nicht um Besserwissen, sondern mehr um Nachfragen und Verstehenwollen geht. Weil die Neugier und das Bedürfnis der Menschen nach Austausch bleiben werden.

Noch ein Trend: Immer mehr Inhalte auf Social Media werden von generativer KI produziert, laut einer Studie sollen bis 2026 schon die Hälfte aller unternehmensbezogener Meldungen KI generiert sein. Wie langweilig wird das wohl, wenn sich irgendwann „die dramatisch zunehmenden Bots wechselseitig applaudieren“.

Der Rat von Henning Beck dazu lautet: Suchen wir nach Dingen, die ein Ende haben. Sonst heißt es irgendwann: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann scrollen sie noch heute …

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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