INSPIRATION: Kennen Sie den Ausdruck: „Er bekam die zweite Luft“? Das ist der Moment, in dem Radfahrern oder anderen Ausdauersportlern offenbar die Puste ausgeht, aber dann plötzlich doch ein Gefühl von Leichtigkeit und Energie entsteht und sie plötzlich noch mal richtig angreifen können.
So etwas benötigen Unternehmen, sagt Stephan Jansen, wenn ihr Transformationsvorhaben offenbar nicht aufgeht, obwohl sie von ihm überzeugt sind. Das gleiche gilt für die Gesellschaft. Das Problem ist, dass diese Vorhaben nicht kurzfristig umzusetzen sind, sie kosten viel Geld und Zeit. Und während dieser Zeit profitieren die anderen, die nicht in einen Umbau investieren (Zweite Luft). Kennen wir doch, die Argumentation, oder? „Das machen wir nur, wenn auch die anderen mitmachen.“
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Verstörende Rückzieher
Dramatische Beispiele für diejenigen, die es offenbar erst gar nicht bis zum Moment der zweiten Luft schaffen, enthält ein anderer Beitrag der Brand eins (Die Einsamkeit der Pioniere). Dass wir ohne nachhaltiges Wirtschaften sehenden Auges in die Katastrophe schlittern, ist rational denkenden Menschen inzwischen klar. Auch den meisten Unternehmen. Und doch verstören solche Nachrichten: Total Energies kündigt an, die Ölförderung auszuweiten, Mercedes Benz kassiert die Electric-Only-Strategie, Aida und Tui ihr Ziel, 2040 ihre Schiffe klimaneutral fahren zu lassen, Adidas stellt die Verwendung von Plastikmüll aus den Ozeanen ein.
Weitere ernüchternde Zahlen: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft hat gerade mal knapp über 600 Mitglieder, der BDI 100.000. Geschätzt arbeiten bis knapp 7 % der deutschen Unternehmen nachhaltig. Je nachdem, wie man das definiert, sind es auch nur 0,15%.
Wahre Pioniere
Und dennoch gibt es sie – die wahren Pioniere, und die werden erst einmal belächelt. Oder bekämpft. Oder vielleicht auch bewundert. Sie benötigen viel Durchhaltevermögen. Und die zweite Luft. Die Brand eins hat auch sie gefunden, die Beispiele beeindrucken tief. Vor allem Frosta hat eine spannende Entwicklung hinter sich. Man setzte auf maximale Transparenz und schmackhafte Gerichte mit reinen Zutaten, genau das, was sich der Verbraucher wünscht. Oder zumindest behauptete zu wünschen. Denn dann stießt man schmerzhaft mit dem Value Action Gap zusammen.
Dieser besagt, dass ca. zwei Drittel der Konsumenten in Umfragen beteuern, beim Einkauf Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, aber im Regal dann zu den billigsten Angeboten greift. Resultat: Die Umsätze brachen um 40% ein, denn die Produkte ohne Zusatzstoffe kosteten 10 bis 15% mehr. Sieben verlustreiche Jahre musste das Unternehmen überstehen, dann kam die Wende. Weil der Trend zum gesünderen Essen der Firma zu Hilfe kam. Wenn schon Tiefkühlkost, dann wenigstens ohne Zusatzstoffe. Inzwischen macht man sechsmal so viel Umsatz wie vor dem Wandel und wächst um 17% jährlich.
Die beiden anderen Musterunternehmen sind Frosch (Reinigungsmittel) und Vaude (Outdoorkleidung). Das Geheimnis (außer durchhalten): Erklären, warum man das tut. Das kommt irgendwann beim Verbraucher an. Aber leider nicht unbedingt beim Wettbewerber. Frosch hat versucht, mit den Großen ins Gespräch zu kommen und sie zu bewegen, auch auf Rezyklat für Flaschen zu setzen statt auf Erdöl. Der Preisunterschied: 1,4 Cent. Hat nicht geklappt. Das Henne-Ei-Problem: Erst müssen die anderen, dann wir.
Vorgaben für alle?
Eine andere Variante: Der Staat sollte Vorgaben machen, die dann für alle gelten. Da haben wir das Gerechtigkeitsdilemma: Wenn wir anfangen, geht das nur zu unseren Lasten – also sind wir nur dabei, wenn alle mitziehen – oder eben dazu verdonnert werden. Frosta und Co. zeigen aber, dass es auch anders geht. Und die Nachteile sich irgendwann zum Vorteil wandeln. Wussten Sie, dass Frosch an den Weltfirmen Procter & Gamble, Unilever und Henkel vorbeigezogen und in Deutschland in Sachen Haushalts-, WC- und Glasreinigern Marktführer ist.
Letzter Tipp (auch nicht ganz neu): Wenn den Menschen angeblich Nachhaltigkeit wichtig ist, sie aber beim Einkauf anders entscheiden, dann kann man das frustriert hinnehmen und sich von hehren Zielen verabschieden (siehe oben). Aber man kann auch erst einmal nüchtern feststellen, dass ihnen offenbar Dinge wie Preis, Qualität oder Lifestyle wichtiger sind. Und hier ansetzen. Siehe gesunde Ernährung bei Frosta. Also muss man diese Produktvorteile in den Vordergrund stellen.