11. Dezember 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Die Nummer mit dem Esel und der Karotte

Sich so richtig einen in die Tasche lügen

KRITIK: Change-Management soll wirksam sein, keine Frage. Doch wie kann man die Wirksamkeit messen? Das kommt darauf an, wäre eine Antwort. – Unter anderem auch darauf, welche Art von Antwort man hören möchte.

„Eine Messung in Bezug auf das Change Management ist auch nicht trivial,“ so Autorin Therese Baier (Wie misst man die Wirksamkeit von Change Management?). Denn es gibt viele populäre Abkürzungen zum vermeintlichen Glück. Doch die meisten sind Kurzschlüsse. Weil man keine angemessene Vorstellung von der Materie hat. So auch meines Erachtens leider die Autorin.


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Change-Management ist eine Dienstleistung. Und als solche ist sie definitionsgemäß eine Koproduktion (Dienstleistungstätigkeiten). Wer für das Ge- oder Misslingen von „Change“ allein den Change-Agent haftbar macht, handelt grob fahrlässig bis unverschämt. Natürlich freut sich der Change-Agent über Lob. Wenn er bescheiden ist, wird er ergänzen: Was wäre ich ohne mein Team und ohne Euch, meine Kunden …? Wenn’s in die berühmte Hose geht, wird er als Sündenbock vom Hof gejagt und verbucht sein Honorar als Schmerzensgeld. Diese Spielchen kennt man.

Man könnte vom Qualitätsmanagement lernen

Weil Change-Management eine Dienstleistung ist, fällt das Ergebnis nicht wie Manna vom Himmel, sondern will adaptiv in einem Prozess entwickelt werden. Daher muss der Blick zunächst auf die sog. Strukturqualität gehen: Was ist der Input – vom Berater, vom Klienten, seitens des Umfelds? Wer als Change-Agent beispielsweise mit einem Mini-Budget Wunder bewirken soll, könnte schnell auf die Idee kommen, es mit einer Mission Impossible zu tun zu haben; und es deshalb besser wäre, schnell „Land zu gewinnen“.

Im Beratungsprozess kann nun auch allerlei gut, aber auch so einiges schieflaufen (Troughput). Da haben die Projektmitarbeitenden plötzlich andere Prioritäten und werden nicht mehr im Projekt gesehen. Die Chefetage glänzt ebenfalls mit Abwesenheit … Worüber wollen wir dann zum Schluss (Ergebnisqualität) sprechen? Über welchen Output oder besser gesagt Outcome? Und wer wiederum soll wofür verantwortlich gemacht werden? Vor allem könnte man zum Schluss auch zur spannenden Erkenntnis kommen, dass eben nicht nur „zählt, was hinten rauskommt“, um einmal einen ehemaligen deutschen Bundeskanzler zu zitieren. Sondern dass zuvor schon eine Menge suboptimal gelaufen ist.

Rochaden

Evaluation ist nicht trivial, im Gegenteil. Insofern ist der Autorin zuzustimmen. Aber warum bedient sie sich nicht der etablierten Frameworks der Evaluation? Es muss einen Grund dafür geben. Völlig zurecht verweist sie darauf, dass Befragungen zur Zufriedenheit (Produktakzeptanz) zu kurz greifen. Als weiteres Missverständnis benennt sie das Schielen auf Nutzungsraten von neuen Produkten als Indikator. D’accord! Doch worüber sprechen wir hier? Lediglich über die Ergebnisqualität, also: End of the Pipe. Struktur- und Prozessqualität werden gar nicht betrachtet.

Schon in den 1970er-Jahren hat Kirkpatrick vier Ebenen der Ergebnisqualität beschrieben (Des Kaisers neue Kleider?): Zufriedenheit, Lernen, Verhalten(-sänderungen), Erfolge (Geschäftsergebnisse). Autorin Baier, die in ihrer Autorinnenlegende verrät, zehn Jahre als Beraterin bei Accenture tätig gewesen zu sein, spricht also lediglich zwei Ebenen an; und das auch bloß episodisch.

Dafür lässt sie ihre Leserschaft an ihrem Credo „Messen sollte man das, was man auch steuern kann“ teilhaben. Moment einmal … Sollte man nicht auch das Unsteuerbare messen (können)? Und sollte man nicht auch das steuern, was man nicht messen kann? Und was meint sie denn genau mit messen und steuern? Die Parole macht eher den Eindruck, hier werde viel Staub aufgewirbelt – und das Publikum steht dann im Nebel.

Und bist Du nicht willig …

Die Autorin legt kraftvoll nach: „Für Change Management bedeutet das, die eigene Arbeit in den Blick zu nehmen – nicht die Performance des Produkts. Change-Arbeit zielt auf Change-Akzeptanz ab.“ Na, was soll das denn nun bedeuten? Zufriedenheit reicht? Das wäre mehr als platt. Es „sollte gemessen werden, inwiefern das Change-Team zur Change-Akzeptanz (und somit zum übergreifenden Projekterfolg) beiträgt.“ Sorry, ich bin verwirrt … hatten wir nicht eben gehört, dass Change-Management als Dienstleistung eine Koproduktion ist?

Also wovon sprechen wir gerade? Die Autorin vollzieht nun eine interessante Volte, indem sie von Veränderungsfähigkeit (verstehen und können) und Veränderungsbereitschaft (wollen und dürfen) spricht – und sich damit auf den wirtschaftspsychologischen Altmeister Lutz von Rosenstiel bezieht. Aber wer ist gemeint? Na, die Mitarbeitenden, Dummerchen! Wenn die den Change nicht verstehen und können, braucht es Überzeugungsarbeit (Kommunikationsmaßnahmen, Schulungsmaßnahmen oder Workshops): „die explizite Anweisung des Managements, sich auf den Change einzulassen, ist essenziell.“

Ich traue meinen Augen nicht … Und komme zum Anfang zurück: Wer für das Ge- oder Misslingen von „Change“ allein die Mitarbeitenden haftbar macht, handelt grob fahrlässig bis unverschämt. Man jagt die Mitarbeitenden aber nicht vom Hof. Man setzt sie unter Druck. – Wie dumm! Und ich weiß: So wird das nichts. Vertrauen muss man sich verdienen. Es zu fordern erzeugt Widerstand.

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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