26. August 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Skill-Set gegen Desinformation

INSPIRATION: Es klingt nur allzu logisch – weil wir die meiste Zeit unseres Lebens am Arbeitsplatz verbringen, und weil wir dort viele Kontakte haben, wäre das der ideale Platz, um die Demokratie zu retten. Aber hilft das wirklich? Kann man dort diejenigen erreichen, die sich bereits von ihr verabschiedet haben?

Überhaupt: Ausgerechnet am Arbeitsplatz, wo Mitsprache eher ein Fremdwort ist und alle daran gewöhnt sind, „Anordnungen und Befehle entgegenzunehmen“? (Lass uns reden, Kollege!) Ein Philosoph warnte sogar, dass man von so jemandem wohl kaum erwarten könne, „plötzlich als politischer Bürger einer Mentalität der Dialogbereitschaft an den Tag zu legen“. Andererseits: In kaum einem Land gibt es im Unternehmen so viel Mitsprache wie in Deutschland – Stichwort Mitbestimmungsgesetz. Und Stimmen, die noch mehr Demokratisierung fordern, werden auch immer wieder laut. Tatsächlich bekommt man auch beim Thema New Work den Eindruck, dass sich jeder einzelne mehr in Entscheidungsprozesse einbringen kann.


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Der Betrieb als „Testlabor für die Demokratie“ also? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Die Mitbestimmung ist auf dem Rückzug. Nur noch sieben Prozent der Unternehmen haben einen Betriebsrat (in 2000 waren es mehr als doppelt so viele). In 2023 arbeiteten nur 49 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen mit Tarifvertrag, in 2000 waren es 68 Prozent. Was folgt daraus?

Warum Seminare nur bedingt helfen

Naja, auf der einen Seite haben Befragungen herausgefunden, dass Menschen aus Unternehmen mit Betriebsrat eher zufrieden mit der Demokratie sind. Andererseits: Bei der letzten Wahl haben 21,8 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die AfD gewählt – mehr als die Gesamtbevölkerung. Was nun kein wirklich zulässiger Vergleich ist, man müsste wissen, wie viele der nicht Gewerkschaftsmitglieder unter den Beschäftigten die Blauen gewählt haben.

Wie auch immer – es könnte sich lohnen, die Menschen am Arbeitsplatz zu sensibilisieren. Ein Initiative namens Business Council for Democracy (BC4D) hat inzwischen 180 Unternehmen erreicht und bietet kostenlose Onlineschulungen an. Dort sollen sich die Teilnehmer acht Wochen lang eine Stunde wöchentlich austauschen, typische Problemsituationen simulieren, Fakes erkennen lernen, Gegenrede üben usw. Sie erwerben dort „ein Skillset gegen Desinformationen“. Über 3.000 Menschen haben bisher teilgenommen.

Hilft das? So wirklich optimistisch klingen die Stimmen nicht. Die Teilnehmer seien selbstsicherer, trauten sich mehr zu, würden auch mal bei Hasskommentaren im Intranet gegenhalten. Da bin ich schon irritiert: Unternehmen, in denen es möglich ist, Hassbotschaften im Intranet zu verbreiten? Wäre das nicht ein Kündigungsgrund?

So viel ist auch hier klar: Diese Initiativen erreichen diejenigen, die zur Demokratie stehen, die anderen wird man kaum durch Schulungsmaßnahmen bekehren können. Ob das eher vor Ort möglich ist, wie eine andere Initiative es mit Treffen in kleineren Betrieben versucht, z.B. mit „Politik zum Nachtisch“?

Klare Kante zeigen

Mich erinnert das an Versuche, das Thema „Diversity“ mit Schulungen zur Vielfalt in den Betrieben voranzubringen – und an die bitter-ironischen Darstellung z.B. in „The Office„. Ich glaube, solche Seminare sind nur dann wirklich hilfreich, wenn gleichzeitig der Arbeitgeber klare Kante zeigt. Und nicht beim aktuellen Gegenwind einknickt (Fluide Zonen). Wer wissen möchte, wie so etwas geht, dem sei der Beitrag Machen statt reden im gleichen Heft der Brand eins ans Herz gelegt.

Dort geht es um einen Baukonzern, der in Halle Menschen aus Usbekistan zu Berufskraftfahrern ausbildet und sich stark in der Zivilgesellschaft engagiert. Reden, so die Erkenntnis, ist wichtig. Aber noch wichtiger ist zu handeln. Auch wenn das unbequem ist. Oder sogar Mut erfordert. Noch eine Empfehlung aus dem lesenswerten Heft zum Schwerpunkt „Demokratie“: „Ist da jemand? Jemand da draußen? Der so fühlt wie ich?“ über den Verein Treibhaus im sächsischen Döbeln.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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