KRITIK: Früher besuchte man Kongresse, um auf dem Laufenden zu sein, heute reisen alle, die als innovativ gelten wollen, ins Silicon Valley. Der Valley-Tourismus blüht, denn dort, wo 19.000 Start-ups um Geld und Erfolg kämpfen, sollte es doch genügend Inspiration geben. Die Erkenntnisse? Die Erkenntnisse, über die ein Beitrag im Handelsblatt (Auf Erweckungstour im Valley) berichtet, hauen den Leser nicht vom Hocker.
Hier sind sie: Design Thinking ist das Buzzword dieser Zeit, und die Teilnehmer lauschen gebannt einem Vortrag über die Methode, die eigentlich durch ein deutsches Unternehmen bekannt gemacht wurde: SAP. Dazu müsste man dann wohl nicht ins Valley reisen.
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„…weniger Hierarchie, mehr Kontakt zwischen Management und Mitarbeitern, mehr Freiheit, um Kreativität zu fördern„, das nennt sich „New Way of Working“. Man ist bass vor Erstaunen, auch über die Idee, dass Manager in die Rolle ihrer Mitarbeiter schlüpfen und den „Gemba-Walk“ antreten. Das kommt aus dem Japanischen, könnte man auch mit Management by walking around betiteln und hilft herauszufinden, was vor Ort eigentlich los ist.
Was zu der letzten Erkenntnis führt: Man sollte Informationen teilen und austauschen, und das nicht nur mit jenen, die man für wichtig und wissend hält. Und man sollte nicht gleich „aber“ sagen, sondern vor allem erst mal zuhören.
Einige Unternehmen entsenden ihre Mitarbeiter für längere Zeit, nicht nur auf einen Kurztripp zu 2.250 Euro ins gelobte Land. Dort sollen sie Kontakte knüpfen und nach den neuesten Trends Ausschau halten. Auch ein Dino wie RWE ist dabei, mit zwei Zimmern in einer Bürogemeinschaft.
Fragt sich nur, was die Mitarbeiter ausrichten können, wenn sie von dem Praktikum im Valley zurückkehren. Wenn einer eine Reise tut, dann hat er zwar viel zu erzählen – aber anschließend geht das Leben in der Heimat dann wie gewohnt weiter, oder?
Eine Woche später erschien im Handelsblatt ein Interview mit dem Schweizer Verleger Michael Ringier (Digitalisierung ist ein ständiger Lernprozess). Abgesehen davon, dass dieses Gespräch höchst amüsant zu lesen ist, weil der Manager kein Blatt vor den Mund nimmt und ohne Scheu auch über Fehler spricht bzw. Engagements, die erfolglos waren und nun abgeblasen werden – selbstverständlich war auch er im Valley. Seine Eindrücke: Dort hätten alle eine Mission, die ans Religiöse geht. Im wäre lieber, man würde freimütig zugeben, dass man vor allem einen Haufen Kohle machen will. Sagt der Macher eines Boulevard-Blattes, der vermutlich keine Mission sein eigen nennt.
Was die Großen vor Ort angeht: Man könne sie nicht voneinander unterscheiden, wenn man einmal drin sei. Ob Facebook oder Google – überall sieht es gleich aus. Und noch ein Bonmot über Facebook: Er würde schon seine echten Freunde vernachlässigen, da hätte er keine Zeit, sich um die falschen zu kümmern. Bei seinem Account unter dem Namen seines Hundes hätte er dort ohnehin nicht viel entdeckt. Ist was dran…
