INSPIRATION: Das gesellschaftliche Miteinander ist ins Schwanken geraten. Laut einer Studie sinkt das „Zusammenhaltungsempfinden“ – was auch immer das bedeuten mag. So viel aber scheint sicher zu sein: Der Ton wird rauer, Verständnis für andere Meinungen – oder besser, das Verstehenwollen anderer Positionen, lässt nach. Klar, dass damit auch die Bereitschaft sinkt, sich auf Kompromisse oder Lösungen einzulassen, die nicht exakt der eigenen Vorstellung entsprechen. Weil wir Einschränkungen hinnehmen müssen, während andere (gefühlt) profitieren.
Eine Ursache hierfür ist das sinkende Vertrauen – in Institutionen, Politik, Medien. Und in unsere Mitmenschen. Sagt ein Soziologe (Begegnen wir uns doch mal wieder!). Aber warum ist das so? Weil wir uns weniger begegnen. Oder besser: Weil wir den falschen Menschen begegnen. Nämlich jenen, die so sind wie wir. Die Wohlhabenden begegnen den Wohlhabenden, die Armen den Armen, die Bildungsstarken den Bildungsstarken usw.
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Die Kosten der Individualisierung
Eine interessante Erklärung hierfür wiederum ist die Individualisierung der Lebensstile. Frühere Massenorganisationen haben ausgedient (z.B. die Kirchen), die Menschen sehen sich auch seltener im Sportverein, dafür im „Urban Sports Club“. Sie gehen zu Events, statt sich einem Tanzclub oder einem Kegelverein anzuschließen. Sie engagieren sich in Projekten statt im Verein. Kurz: „Begegnungen sind stärker nach individuellen Interessen organisiert“, die Folge: Wir treffen mehr auf Menschen mit sehr ähnlichen Interessen und Lebensweisen.
Das gilt leider auch für das Wohnen. Homogene Wohnviertel haben massive Auswirkungen. Schulen und Kindergärten sind weniger durchmischt, die Gelegenheiten, Menschen mit anderem Hintergrund zu treffen, werden seltener. Das kann man schon beim Einkaufen erkennen. Warum sind aber solche Begegnungen wichtig? Weil wir mit anderen Lebensrealitäten konfrontiert werden, damit gezwungen sind, sich ihnen zu stellen und damit auch, sie anzuerkennen und ernst zu nehmen. Indem man ein wenig tiefer in ihre Lebensrealität einsteigt und die eigene Sichtweise weitet. Was letztlich zu mehr Vertrauen führt.
Was ist zu tun?
Wenn Alltagsorte der Demokratie seltener werden, braucht man multifunktionale Orte. Z.B. Häuser, in denen sehr unterschiedliche Einrichtungen und Institutionen untergebracht sind. Und die vorhandenen Gebäude wie Schulen und Bibliotheken für weitere Aktivitäten nutzen. Stichwort Repair-Café. Und die Mitarbeit der Wirtschaft. Unternehmen sind eben nicht nur dazu da, Produkte anzubieten und Profit zu machen. Zumindest wäre es schön, wenn sie sich anders verstehen.
Was könnten sie tun? Anregungen hat der Soziologe schon: Die Baumarktfirma, die Weiterbildung in Sachen Eigenbau anbietet. Der Supermarkt, der ein Rentnercafé betreibt. Ich erinnere mich an einen Brotbackkurs bei einem kleinen Bäcker mit einer sehr gemischten Gruppe. Hat Spaß gemacht.
Und wie sieht es in den Unternehmen selbst aus? Ich erinnere mich an Kantinen, in denen es abgetrennte Bereiche für Akademiker gab. Dürfte der Vergangenheit angehören. Aber sind nicht grade Unternehmen Orte, in denen sich sehr unterschiedliche Menschen automatisch über den Weg laufen? In Zeiten von Homeoffice und mobilem Arbeiten wohl deutlich weniger als bisher. Vielleicht doch ein Grund, über vermehrte Präsenz-Zeiten nachzudenken?