PRAXIS: Nehmen wir mal an, ein Kollege beschwert sich bitter über eine Kollegin. Oder Ihr Partner regt sich sehr über seinen Chef auf. Oder eine Freundin über ihren Ehemann. Was wir in der Regel dann tun, ist entweder den „Beschuldigten“ zu verteidigen – und damit die Klagen noch anzuschieben – oder dem anderen Recht geben – was ihm dann auch nicht weiterhilft. Im besten Fall fühlt er sich erst einmal unterstützt und bestätigt. Im negativen Fall führt das aber eher zu einem Schulterschluss und verschärft den Konflikt.
Was helfen könnte, wäre sich in die Position des „Beklagten“ zu versetzen. Martin Wehrle schlägt hierfür die „Anwaltsübung“ vor (Anwaltlicher Perspektivenwechsel). Damit ist aber nicht gemeint, Argumente für die Position des anderen vorzubringen, also selbst in die Anwaltsrolle zu schlüpfen. Sondern dem Gesprächspartner vorzuschlagen, selbst die Rolle einmal versuchsweise zu übernehmen.
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Perspektiv-Wechsel
Eine klassische Coaching-Übung, die zum Perspektiv-Wechsel einlädt. Im Alltag könnte es eine Weile brauchen, die Bereitschaft hierfür beim anderen zu wecken. Aber wenn er sich darauf einlässt, dann könnte die Einleitung so aussehen: „Hättest du Lust, mal in die Rolle eines Anwalts zu schlüpfen? Also dir vorzustellen, du müsstest ein Plädoyer für den Kollegen halten und zu erklären, warum er sich so verhält, wie er es tut. Was würdest du zu seiner Verteidigung anführen?“
Der Trick dabei: Man bewegt sich aus der Rolle des Anklägers – oder vielmehr des Opfers – heraus und kann sich – hoffentlich – ein Stück von ihr lösen. Stimmt der Betroffene zu, behält man das Bild bei und sagt: „Herr Anwalt, Sie haben die schwerwiegenden Vorwürfe von Herrn X gehört. Was haben Sie zur Verteidigung von Frau Y vorzubringen?“
Das ist alles andere als leicht, und vielleicht stocken die Argumente („Nun, sie hat gerade eine schwierige Phase, gesundheitlich steht es nicht zum Besten …“) bald, dann helfen offene Nachfragen: „Welche weiteren Argumente möchten Sie vorbringen?“ Auf diese Weise entsteht nicht nur mehr Verständnis für den Konfliktpartner, sondern in der Regel ergeben sich auch konkrete Anhaltspunkte, wie man das Problem angehen könnte.