21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Auf dem Weg der Selbstoptimierung?

KRITIK: Das mag ich, wenn Studierende mal ausgefallene, interessante Fragestellungen erforschen! Denn in der Coaching-Szene herrscht meines Erachtens die Tendenz vor, irgendwelche Allgemeinplätze oder beliebte Vorurteile nachzubeten. Auch in dieser Ausgabe des Coaching-Magazins, aber ich überblättere das inzwischen. Man kann sich schließlich nicht über alles aufregen. Und durch das Aufregen schafft man auch wieder neue Resonanz. Muss ja nicht sein.

In der Masterarbeit, auf dem dieser Beitrag aufbaut, geht es um die Frage, welche Erwartungen Coaching-Klienten an Coaches haben. Das ist nicht trivial. In der Forschung überwiegt nämlich die Befragung von Experten und Coaches, weil man an die viel einfacher herankommt. Kennen Sie den Witz: „Da läuft jemand unter einer Straßenlaterne hin und her und schaut angestrengt auf den Boden. Ein Passant kommt vorbei und fragt: Was suchen Sie denn? Der Mensch antwortet: Meinen Hausschlüssel. Der Passant fragt: Haben Sie den hier verloren? Und der Mensch entgegnet: Das weiß ich nicht. Aber hier ist es wenigstens hell …“ Man könnte den Perspektivenwechsel des Studierenden also neudeutsch Customer Centricity nennen. Seine Fragestellung lautet: „Welche kommunikativen Leistungen und Eigenschaften des Coachs werden von (potenziellen) Klienten als besonders relevant erachtet?“


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Customer Centricity

Die Forschung hat bislang recht klar ergeben, was der zuverlässigste Prädiktor des Coaching-Outcomes ist: Die Beziehung zwischen Klienten und Coach. Ich sage gerne flapsig: die halbe Miete. Aber die „Greatest-ever-Studie“ von Eric De Haan und Kollegen (Wirkungsvolles Executive Coaching) sagt: ein Drittel. Na ja, da wollen wir mal nicht so kleinlich sein. Hinzukommen muss allerdings die Selbstwirksamkeit des Klienten. Wer also denkt, dass er etwas verändern kann und dazu auch bereit ist, der wird eher erfolgreich sein als die Verzagten. Soweit die Theorie. Was sagen nun die Klienten?

Der Autor (Kommunikative Leistungen und Eigenschaften von Coaches) befragte eine Stichprobe von 700 Klienten, wovon knappe 500 den Fragebogen vollständig ausfüllten. Die Befragten sind recht jung, das durchschnittliche Alter liegt bei zirka 28 Jahren. Das kann man zurecht kritisieren. Der Autor dreht es allerdings ins Positive: Das sei die Klienten-Generation. Nun, das will mich nicht wirklich überzeugen, aber stellen wir das mal beiseite. Keinerlei Erfahrung mit Coaching haben 40 Prozent der Befragten, die andere Fraktion bezeichnet der Autor als Gelegenheitsnutzer. Auch da hätte ich Nachfragen: Wenn fünf Prozent angeben, Coaching täglich zu nutzen, frage ich mich, von welchem Coaching-Verständnis wir hier sprechen: Ist Coaching so etwas wie Zahnpasta? Ja, ich bin pingelig, aber ich fürchte, in der Coaching-Forschung werden immer noch zu viele Äpfel und Birnen in einen Korb geworfen. Nun, stellen wir auch das einmal beiseite. Was sind die Ergebnisse, was erwarten Klienten von Coaches?

  • Kommunikative Kompetenz: Coaches müssen sich angemessen verständlich und ausführlich ausdrücken können. Ihre Inhalte müssen von den Klienten als relevant wahrgenommen werden. Man erwartet von ihnen einen klaren und dominanten Stil.
  • Arbeitsatmosphäre: Die Klienten erwarten Respekt und die Fähigkeit, eine positive Arbeitshaltung aufzubauen.
  • Coaching-Beziehungsqualität: Die Klienten erwarten, dass sie vom Coach ermutigt werden. Sie wollen Zuversicht erleben.

„Die Befunde können im Gesamtbild als charakteristisch für den starken Zielbezug jeglicher Coaching-Anliegen verstanden werden, was insbesondere im Wunsch nach relevanten und verständlichen Inhalten, fortschrittsbezogenem Feedback und Dominanz zum Ausdruck kommt. Trotz aller Selbststeuerung und Selbstbestimmtheit der Klienten, erwarten diese auf der Prozessebene klare und verständliche Anweisungen durch den Coach im Sinne eines dominanten Kommunikationsstils.“ An dieser Stelle muss ein Babyboomer wie ich, der mit dem Stand der Coaching-Forschung und der Diskussion um Professionalität im Coaching sehr vertraut ist, zunächst einmal tief, sehr tief durchatmen. Hier liegen – und das reflektiert der Masterabsolvent leider überhaupt nicht – Welten zwischen den Vorstellungen der Coaching-Professionellen und der Coaching-Kundschaft – also dieser Altersgruppe.

Der große Wunsch nach schneller Selbstoptimierung

Ich lese aus der Zusammenfassung der Klienten-Erwartungen den großen Wunsch nach schneller Selbstoptimierung heraus. Vom Coach wird Guidance erwartet, nicht Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Guidance muss zudem zur Erwartungshaltung der Kundschaft passen – sonst wird sie abgelehnt und abgewählt. Das ist alles recht affirmativ und Ausdruck einer ausgeprägten Konsumentenhaltung. Es passt wenig zum kritischen, emanzipatorischen Selbstverständnis der Post-68er-Coaches, die laut Coaching-Umfrage Deutschland die Mehrheit der am Markt aktiven professionellen Coaches darstellt (Coaching-Umfrage Deutschland). Diese würden Koproduktion, Augenhöhe, Reflexion, Experimentierraum und so weiter betonen. Das ist allerdings überhaupt nicht das, was diese Kundschaft nachfragt.

Ausgeprägte Konsumentenhaltung

Man redet nicht nur aneinander vorbei, sondern man redet vermutlich gar nicht miteinander. Vielleicht sind diese 28-Jährigen gar keine Klienten der Mitte-50-Jährigen etablierten Coaches. Wer weiß, mit welchen Coaches sie interagieren: Offenbar sind es ganz andere Coaches. Solche, die längst schon begriffen haben, dass ihre Klienten vor allem bestätigt werden wollen. Sie stellen keine tiefschürfenden Fragen, sondern lesen zum Frühstück wohlfeile Kalenderweisheiten vor. Sind es überhaupt Menschen, mit denen sie da interagieren? Ok, ok, ich rede mich in Rage … Aber das ist doch bedeutsam!

Leben die etablierten Coaches im Tal der Ahnungslosen? Spielt die Musik für die Jüngeren längst wo anders? Und bedienen das Bedürfnis nach Instant-Weisheiten und schnellen Karriere-Boostern nicht vermutlich die neu am Markt agierenden sogenannten Digital Coaching Provider (Coaching-Branche: Zur Professionalisierung gezwungen) viel besser? 30 Minuten Coaching in der Mittagspause. Und wenn mir der Coach nichts passt: weiter zappen! Ich glaube, darüber müssen wir reden. Und das müssen wir weiter erforschen.

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