INSPIRATION: Jetzt hat es auch die Consultants erwischt: Jene Spezies, die ansonsten eher mitleidig auf die anderen Berater herunterschaut. Business as usual goes Business as unusual. Eine Branche muss sich verändern.
Früher, als die Welt noch „in Ordnung“ war, war das Consultinggeschäft klar gegliedert (Die zukunftsfähige Organisation von Beratung). „Das Herzstück des Beratungsgeschäftsmodells ist die sogenannte professionelle Pyramide.“ Oben herrschen die Partner. Darunter rackern die Projektmanager:innen. Und unten schuften die Junior-Beraterinnen. Deren zahlenmäßiges Verhältnis heißt Leverage. Dieser Hebel variiert je nach Beratungstyp und Projektanforderungen. Bei Accenture lautet die Ratio oft 1:4:30. Eine steile Hierarchie, in der das Prinzip „up or out“ oder „grow or go“ heißt.
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Befeuert wird die Leistungskultur durch interne Leistungsturniere. Und zusammengehalten wird das Ganze durch eine One-Firm-Philosophie, die das Hauen und Stechen diszipliniert und die Loyalität sichert: gemeinsame Werte, einheitliche Qualitätsstandards, integrierte Verantwortlichkeiten. – Und auch „out“ muss nicht schlimm sein. Dann geht man halt zum Kunden und bleibt in gutem Kontakt zur Consulting-Company …
The Times They are a changin‘
Doch dieses Modell funktioniert immer weniger. Das liegt an technologischen Innovationen (KI), Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und gewandelten Erwartungen der Mitarbeitenden:
- KI verdrängt vor allem Junior Consultants, aber zum Teil auch Seniorberaterinnen und Projektmanager; und sogar Mitarbeitende im Backoffice. Damit sinkt der Leverage. Und das bisherige Preismodell (Tagessatz) lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Weil die Kunden nicht dafür zahlen wollen.
- Die Plattform-Ökonomie entwickelt sich als „Zweitverwerter“ von Karrieren der großen Consultingfirmen. Sie fangen die „Outs“ auf, binden aber nicht mehr über Loyalität, sondern nur noch via Kalkül. Zugleich bedienen sich die großen Consultingfirmen bei Bedarf bei den Plattform-Firmen. Diese Symbiose zerstört aber die alte One-Firm-Philosophie und das hierarchische Partnerschaftsmodell.
- Ein Wertewandel führt weg von den ritualisierten Leistungsturnieren hin zu alternativen Laufbahnmodellen wie Fachlaufbahnen ohne Führungsverantwortung, projektbezogenen Rollenlaufbahnen oder flexiblen Modellen mit Teilzeitoptionen und temporären Engagements. Oft werden diese Pfade noch als „Karrieren zweiter Ordnung“ wahrgenommen. Andererseits offenbaren sich damit auch Gefahren wie Wissenssilos und unterbrochene Lernketten.
Die Orchestrierung von Experten
Das lenkt den Blick auf Segmente des Beratungsmarkts, auf die man bislang eher mitleidig herabgeblickt hat: Die kleinen Beraterfirmen, die Freelancer, die Trainer und Coaches. Sie haben sich oft schon mit Netzwerken organisiert (Neue Geschäftsmodelle im Consulting). „In einem digitalisierten Markt ist die Transformation keine Option, sondern eine Notwendigkeit, um Wachstum, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Unternehmen, die diesen Wandel nicht aktiv gestalten, riskieren, von agilen, digital besser aufgestellten Akteuren verdrängt zu werden.“
Digitalisierung eröffnet allerdings auch neue Chancen. Traditionelle Grenzen lösen sich auf. Kooperationen erscheinen sinnvoll. Beratungsleistungen werden immer öfter virtuell, verteilt oder asynchron durch Netzwerke oder Self-Service-Plattformen erbracht. Man nennt es Hybridisierung. Und nun etabliert sich eine neue Organisationsform:
Crowd-Sourcing-Plattformen
Hier werden „Beratungsanliegen nicht an Einzelpersonen, sondern an eine größere, heterogene Gruppe (die Crowd) adressiert“. Sie ermöglichen es Freelancern und kleinen Beratungsunternehmen, die über klassische Ausschreibungsprozesse oftmals nicht eingebunden worden wären, sich flexibel zu beteiligen. Das sind für diese neue strategische Optionen. Die Plattformbetreiber koordinieren, aggregieren, bewerten und bereiten die Vielfalt der Perspektiven auf. Die Nutzung kollektiven Wissens liefert unterschiedliche Lösungsvorschläge und erhöht die Innovationskraft.
Weil mit schlanken Strukturen, schmalen Fixkosten und technologischer Anschlussfähigkeit operiert wird, können sie auf veränderte Kundenerwartungen (Verfügbarkeit und Spezialisierung) – schneller und flexibler, also agiler reagieren als die großen Beratungshäuser.
Doch neben den Vorteilen bringt Crowd-Consulting auch Herausforderungenmit sich:
- Konkurrenz setzt Margen unter Druck und Vermittlungsgebühren müssen gleichfalls abgeführt werden. Zudem sind dauerhafte Kundenbeziehungen weniger wahrscheinlich.
- Qualitätssicherung, Schutz des geistigen Eigentums und erhöhter Koordinationsaufwand müssen gemanagt werden.
Studienergebnisse
Eine Studie, die diese neue Organisationsform erforscht, zeigt, dass etwa 40 Prozent der Befragten von einer regelmäßigen Zusammenarbeit mit anderen Beratenden berichtet. Wichtigste Motive sind dabei die Beteiligung an größeren Projekten (83,5%), eine erwartete Qualitätssteigerung durch Kooperation (79%) und der Zugang zu neuen Kundengruppen (52%).
Dabei stehen digitale Plattformen gar nicht im Vordergrund. Etwa 48% der Befragten greifen auf bestehende Netzwerke zurück. Verantwortlichkeiten, Arbeitsteilung und Prozesse werden unter den Mitwirkenden jeweils projektindividuell neu verhandelt. Und zwar meist informell, auf Basis persönlicher Beziehungen. Vertrauen, Verlässlichkeit und Passung sind die Motive, die digitale Strukturen offensichtlich nicht bedienen können.
Die größten Hürden sind nicht technologischer Art, sondern die „Komplexität interorganisationaler Zusammenarbeit“. Die Gefahren lauten Verantwortungsdiffusion, unklare Rollen, fehlende Standards zur Qualitätssicherung und hoher Abstimmungsaufwand.
Dienstleistungskette
Als ein mögliches Instrument zur professionellen Steuerung solcher Crowd-Projekte stellen die Autorinnen die Dienstleistungskette dar. Sie verknüpft unterschiedliche Dienstleistungen mit Blick auf ein gemeinsames Leistungsziel, bildet die Beratungsprozesse folglich vollständig ab. Doch dieses Instrument wird bislang noch zu wenig genutzt, bemängeln die Autorinnen.
