24. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Defizitäre Elitekompetenz

KRITIK: Das ist bitter. Da erklären uns die Fachleute für Eignungsdiagnostik seit Jahren, dass Intelligenztests den Berufserfolg am besten vorhersagen können – wobei, wie kürzlich gelesen und bei uns kommentiert, da inzwischen zurückgerudert wird (Personalauswahl – über Goldstandards). Aber niemand will so richtig darauf anspringen. Intelligenz, so die Vermutung, hat ein schlechtes Image. Sie wird mit Überheblichkeit assoziiert – wer besonders intelligent ist, der wird „gleichgesetzt mit Denkern im Elfenturm und Handlungseunuchen“ (Fokus Menschliche Intelligenz).

Werden sie deshalb nicht bei Personalauswahlverfahren für Manager eingesetzt? Angeblich würde der Einsatz die Vorhersagekraft um 25% verbessern, bei höheren Managementpositionen sogar jenseits der 40%. Denn, so die Erklärung: Die Herausforderungen im Management werden immer komplexer, und genau dafür benötigt man kognitive Fähigkeiten. Wie z.B. logisches Schlussfolgern. Und die Fähigkeit, unter Zeitdruck zügig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Genau das messen Intelligenztests.


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Schauen wir mal genauer hin. Da kommt jemand zum Vorstellungstermin, der schon eine Reihe von Erfahrungen im Management oder gar höheren Management gemacht hat. Und wird aufgefordert, einen Intelligenztest zu absolvieren. Das wird er als Majestätsbeleidigung auffassen, denn schließlich hat er ja bewiesen, dass er Managementaufgaben gewachsen ist. Vielleicht mal zum Verständnis: Ein Profiverein möchte einen Fußballer engagieren, der schon Bundesliga gespielt hat. Würde man ihn zu einem Test auffordern, der seine motorischen und koordinativen Fähigkeiten erfasst? Seine Sprintgeschwindigkeit messen? Seine Schusstechnik analysieren?

Ich weiß tatsächlich nicht, ob so etwas passiert. Aber seltsam wäre es schon, oder? Muss jemand, der schon eine bestimmte Leistung erbracht hat, nachweisen, dass er die Voraussetzungen dafür mitbringt?

Hochstapler erkennen?

Im Interview relativiert eine Intelligenzforscherin diese Forderung (Ein Angriff auf menschliche Intelligenz). Man könne damit Blender und Hochstapler identifizieren. Und jene herausfiltern, die zwar intelligent sind, aber eher unauffällig auftreten. Einverstanden, also Menschen, von denen man noch keine „Leistungsnachweise“ vorliegen hat. Oder bei denen man nicht sicher ist, ob die angeblichen Leistungen tatsächlich erbracht wurden.

Noch mal zurück zum Profisportler: Man würde solche Tests also mit jenen machen, die bisher noch nicht durch besondere Leistungen aufgefallen sind. Oder die erzählen, wie toll sie sind und welche großartigen Erfolge sich erzielt haben, aber in Wirklichkeit Hochstapler sind. Okay, ich weiß, bei Sportlern ist es leichter, Leistungen nachzuvollziehen. Sie müssen sich ständig dem Wettkampf stellen. Bei Managementkandidaten ist das schwieriger. Da muss man schon mal genau nachfragen, was jemand wirklich erreicht hat. Und vielleicht auch mal Referenzen einholen.

Aber verwundert es, wenn die Tests keine hohe Akzeptanz haben? Signalisieren sie dann wohl: „Wir sind nicht sicher, ob Sie ein Hochstapler sind, deshalb bitte Test bearbeiten!“. Oder: „Sie wirken sehr zurückhaltend und bescheiden und erzählen uns nicht, was Sie schon alles geleistet haben. Dann wollen wir doch mal sehen, was wirklich in Ihnen steckt!“. Noch mal etwas überspitzt: Was würde die Professorin wohl sagen, wenn man ihr bei der Bewerbung um eine Professur einen Intelligenztest vorlegt? „Denken Sie, ich habe meine bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten von anderen schreiben lassen?“

Wird „soziale Intelligenz“ überbewertet?

Ein weiterer angeblicher Grund für den seltenen Einsatz von Intelligenztests: Soziale Intelligenz wird als wichtiger angesehen. Damit würde suggeriert, dass es intelligenten Menschen daran mangele – was aber Unsinn ist. Denn die sozialen Fähigkeiten sind bei intelligenten Kandidaten nicht häufiger oder seltener anzutreffen als bei „normalen“. Außerdem: In der Praxis würde es bei sozialen Defiziten eine Art „Zero-Toleranz“ geben. Sie werden nicht hingenommen, während man bei fehlender Intelligenz ein Auge zudrückt und mangelnde kognitive Fähigkeiten eher herunterspielt.

Echt jetzt? Mein Eindruck ist, dass die sozialen Fähigkeiten zwar überall gefordert werden, aber in der Praxis ein weniger soziales Verhalten durchaus hingenommen wird, solange die Ergebnisse stimmen. Wer dank seiner Intelligenz großartige Strategien entwickelt und präsentiert, der darf ruhig auch mal ausfallend werden. Hören Sie mal hin, wenn über Managementkandidaten gesprochen wird und es darum geht, wer gefördert werden soll. Wer wird eher aufsteigen? Über den der Satz fällt: „Okay, er mag zwar ein A … sein, aber er bringt großartige Leistungen!“? Oder der folgende: „Okay, er kapiert zwar vieles nicht, aber er ist ein netter Kerl.“.

Dass die Leistung letztlich von sehr vielen Faktoren abhängt, und die kognitiven Fähigkeiten davon nur einen Teil ausmachen, muss hier vermutlich nicht näher erläutert werden.

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