21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Dosiertes Balsam?

KRITIK: Hier mal ein Gedankenexperiment. Sie sind der neue Chef eines Unternehmens, das prächtige Umsätze generiert und dessen operative Marge 28% beträgt. Dennoch kommen Ihnen Zweifel: Die Konkurrenz wächst noch stärker und droht davon zu ziehen. Ihr Eindruck ist zudem, dass die Belegschaft ziemlich zufrieden ist, wenn nicht sogar ein wenig satt. Sie genießt viele Vorzüge, wurde von Ihrem Vorgänge eifrig umhegt und das Image des Unternehmens ist das eines, dass seinen Mitarbeitenden viele Freiheiten einräumt, z.B. großzügige Elternzeiten und Homeoffice nach Belieben. Und dann sitzen Ihnen auch noch die Investoren und der Aufsichtsrat im Nacken, die trotz der guten Zahlen auf noch besseren bestehen.

Wie würden Sie reagieren? Hier mal eine mögliche Vorgehensweise. Sie fragen sich erst einmal, ob es so schlau war, den Job anzunehmen. Ein gesundes Unternehmen, aber unzufriedene Geldgeber? Das riecht nach Ärger. Aber Sie bleiben zuversichtlich, setzen sich mit Ihren Vorstandskollegen zusammen und schauen, ob diese Ihre Eindrücke teilen. Wenn nicht, haben Sie natürlich ein Problem – ein richtig großes sogar. Dann vergessen Sie einfach Ihre Zweifel, informieren die Investoren, dass sie Ihnen gestohlen bleiben können und führen das Unternehmen im erprobten Stil weiter.


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Oder Sie bestehen auf Ihrer Skepsis und möchten den Erwartungen der Investoren und des „Marktes“ gerecht werden. Dann bleibt Ihnen wohl nichts anderes übrig, als sich von der Führungsriege zu trennen und mit einer neuen Crew für frischen Wind zu sorgen.

Rüttelstrecke

Angenommen, der Vorstand sieht die Sache nun ähnlich oder Sie haben einen neuen Vorstand installiert, der mit Ihnen einer Meinung ist – was wären dann die nächsten Schritte? Auch hierfür eine mögliche Vorgehensweise: Sie formulieren eine klare Zielsetzung, klären, ob die Führungskräfte sie mittragen und bedienen sich dann des kompletten Instrumentariums des Change-Managements. Ein schöner Projektname, eine Vision, viel Kommunikation, Change-Agents etablieren, usw. usw. Das wird natürlich eine Menge Arbeit und Geld kosten und auch den einen oder anderen Mitarbeitenden, aber am Ende steht hoffentlich der Erfolg – wie auch immer er gemessen wird.

Bei SAP scheint man noch eine andere Verfahrensweise gefunden zu haben. Da streicht man erst einmal einige „Privilegien“ wie das Homeoffice (es heißt, dass alle nun drei Tage pro Woche ins Büro kommen müssen) und die gerade verkündete Väterzeit. Und man kündigt ein „neues“ Bewertungssystem an (Schluss mit Kuscheln). Nun sollen die Mitarbeitenden in drei Kategorien eingeteilt werden: In Performer, Achiever und Improver. Das Programm nennt sich „Winning Culture“. Wer sich in der Gruppe der Improver wiederfindet, der soll Schulungen besuchen, um wieder aufzusteigen in die Liga der Achiever.

Pure Satire?

Das klingt nun arg nach Satire, oder? Klar, dass viele den Verdacht äußern, dass es hier gar nicht darum geht, wieder fit zu werden für den eigenen Job, sondern eher darum, Kündigungen vorzubereiten. Wer es nicht schafft, der muss irgendwann gehen. Dass so mancher Achiever vielleicht vorher schon geht, weil er sich nicht wertgeschätzt fühlt, ist ein offenbar in Kauf genommenes Risiko. In dem Beitrag der WIrtschaftswoche wird eine andere Vermutung geäußert. Dass es darum geht, Menschen in ihrem gemütlichen Nest aufzurütteln, indem man ihnen erst einmal alle möglichen Privilegien streicht, sie aber anschließend Stück für Stück wieder zurückgibt – „dosiertes Balsam für die Mitarbeiterseelen.“ Könnte natürlich sein, dass diese das schon ahnen und gelassen reagieren nach dem Motto: Das überleben wir auch, wird ja eh alles wieder zurückgenommen.

Mal abgesehen davon, dass es erschütternd ist, wie sich alte Managementfehler immer wiederholen und intelligenten Menschen nichts Besseres einfällt als den fehlenden Leistungsgedanken zu beklagen – ich spinne das Vorgehen mal konsequent weiter: Zuerst muss der CEO seine nächste Führungsebene in die drei Kategorien einteilen. Naja, vermutlich wird er das nicht tun, wäre schon arg peinlich. Aber er wird von ihnen verlangen, dass sie wiederum ihre nächste Ebene so kategorisieren. Oder doch nicht? Wäre ja auch peinlich. Also setzt man irgendwo weiter unten an. Aber egal wo: Irgendwann müssen Improver andere Menschen als Improver kennzeichnen, das stelle ich mir extrem schwierig vor. Oder alle Führungskräfte sind per se mindestens Achiever, sonst wären sie ja keine Führungskräfte. Aber wenn sie Achiever oder gar Performer sind – wieso sind es dann ihre Mitarbeiter nicht? Mmmmh ….

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