INSPIRATION: Wer eine Kultur verändern will, der muss die Mitarbeiter einbinden. Das klingt nach einer Binsenweisheit, aber stimmt so nicht. Viel besser klappt das mit dem Change, wenn er von oben initiiert und durchgeführt wird. Eine sehr überzeugende Argumentation, die von Winfried Berner stammt und in der OrganisationsEntwicklung veröffentlicht wurde (Kulturveränderung von oben).
Ich habe selten so oft bei einem Artikel beim Lesen zustimmend nicken müssen. Das fängt schon an mit der Feststellung, dass lange Changeprojekte extrem störanfällig sind. Da machen sich die Mitarbeiter in vielen Workshops und Arbeitsgruppen auf die Reise, und dann werden ständig die Rahmenbedingungen geändert, die Personen ausgetauscht, ein Unternehmen hinzugekauft – die Motivation bricht im Nu zusammen.
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Auch das hier stimmt: Die meisten Mitarbeiter haben schon unzählige Leitbildprozesse, Visions-Workshops, Führungsgrundsätze-Marathons u.ä. hinter sich – alles „Versuche, an der Kultur zu schrauben„. Woher soll da die Motivation für ein neues Kulturveränderungsprojekt kommen?
Oder dieses Argument: Wenn eine neue Strategie, neue Vertriebsziele, neue Gehaltsstrukturen, neue Führungskräfte etc. etabliert werden, dann wird nicht lange gefackelt, sondern einfach gemacht. Warum dann nicht auch bei der Kultur?
Und schließlich: Wer sagt denn, dass die Mitarbeiter, die an der neuen Kultur gearbeitet haben, diese deshalb anschließend auch umsetzen? Sie machen ja in der Regel nur Vorschläge, „kostenlos und unverbindlich“, anschließend entscheidet ohnehin das Management, was davon umgesetzt wird. Wäre es dann nicht konsequent, die gewünschten Veränderungen gleich von oben festzulegen?
Konsequenz ist das Stichwort, dass sich durch die komplette Argumentation zieht. Denn genau so funktioniert ein Wandel: Das Management entscheidet, was anders werden soll. Und handelt anschließend konsequent selbst. Soll heißen: Es ändert sein Verhalten in Richtung des gewünschten Verhaltens. Das löst eine Kettenreaktion aus – manchmal braucht es für einen solchen Kulturwandel nur wenige Stunden, dann haben alle kapiert, wohin die Reise geht.
So einfach? Ich denke ja. Natürlich muss man der Organisation vermitteln, wie das neue Bild aussieht. Und natürlich braucht man auch Workshops und Arbeitsgruppen. Aber diese entwickeln keine neue Kultur, sondern erarbeiten, wie sich das Neue in jeweiligen Bereich, in jeder Abteilung, in jedem Team und bei jedem einzelnen zeigen wird. Wobei extrem wichtig ist, dass wirklich unmissverständlich klar ist, was genau gefordert wird.
Wie sieht es aber mit der Nachhaltigkeit aus? Werden die oft so trägen Strukturen und das eingespielte Verhalten nicht ein erhebliches Beharrungsvermögen zeigen und rasch wieder in das alte Schema zurückfallen?
Na klar. So wie wir alle es tun, wenn wir auf dem gewohnten Weg zur Arbeitsstelle plötzlich vor einer Umleitung landen. Dann nehmen wir den neuen Weg – gezwungenermaßen. Bleiben wir auf dem neuen? Nur, wenn er sich als vorteilhafter herausstellt als der alte. Oder die Rückkehr zum alten Weg konsequent geahndet wird. Ein sehr passendes Bild, wie ich finde.
Und damit sind wir wieder bei der Konsequenz. Das Top-Management muss nicht nur selbst sein Verhalten ändern, sondern auch noch selbst vor Ort nachsehen, was sich dort tut. Und dann den Verantwortlichen die Ohren lang ziehen. Was vermutlich nicht mal nötig ist. Wenn diese feststellen: „Oh, die meinen das ja ernst!“, dann werden sie sich ganz schnell an die neue Umgehungsstraße gewöhnen.
Mir kommt das sehr vertraut vor. Ich habe vor vielen Jahren erlebt, wie ein neuer CEO installiert wurde, der das Shareholder Value Prinzip vertrat. Unfassbar, wie schnell eine riesige Organisation den Kurs und die Kultur änderte. Womit ich nicht sagen will zu ihrem Vorteil…
Ernüchternd? Eigentlich nicht. Die Sache hat ja auch was Tröstliches. So schnell, wie ein Top-Management die Kultur ändern kann, so dann das nächste diese Änderungen wieder zurückdrehen oder erneut ändern. Wir Menschen sind zwar träge, aber auch sehr anpassungsfähig. Nur wie gesagt: Wer solche Änderungen nur halbherzig einführt und nicht konsequent nachhält, der darf sich nicht wundern, wenn weiter die alten Wege genutzt werden. Auch das habe ich erlebt. Mehr als einmal…