INSPIRATION: Bei virtueller oder hybrider Zusammenarbeit ist es schwerer, ein gemeinsames Verständnis der Aufgaben und Rollen sowie zeitlicher Abläufe zu entwickeln. Sensibel ist auch das Thema Mediennutzung.
Missverständnisse sind bei virtueller Kooperation häufiger als in Präsenzarbeit. Das liegt daran, dass die Kommunikation oft asynchron stattfindet. Und dass die Nutzung digitaler Kommunikationsmittel nicht immer aufgabenangemessen erfolgt (Wessen einziges Instrument ein Hammer ist). Solche Irritationen haben zur Folge, dass es den Teammitgliedern schwerer fällt, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Es geht auch zulasten der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Arbeit und schließlich der Teameffektivität. In diesem Zusammenhang spricht man schon länger von der Notwendigkeit eines geteilten mentalen Modells (Teamarbeit mit Biss).
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Eine gemeinsame Landkarte
Mentale Modelle sind Wissensstrukturen von Personen, anhand derer sie ihr Handeln steuern. Die Arbeit und deren Kontext sind darin abgebildet. Es geht nicht nur um ein gemeinsames Verständnis der Aufgaben und der Zeitstruktur. Auch ein Verständnis der Mediennutzung ist kritisch. Man stelle sich vor, im Team gibt es Teilnehmende, die noch ganz oldschool E-Mail-Kommunikation bevorzugen. Andere chatten hingegen lieber und Dritte verzweifeln angesichts des Kommunikationschaos und mahnen eine Kooperation über eine gemeinsame Projektmanagementplattform an, die wie ein digitales Kanban-Board funktioniert.
Sind diese Landkarten stark ähnlich, gelingt die Arbeit „blind“. Man weiß, wie die Kolleg:innen ticken und schätzt die Rahmenbedingungen ähnlich ein. Andernfalls leidet die Kooperation und ebenfalls die Ergebnisse. Insbesondere dann, wenn man zu wenig über die Zusammenarbeit reflektiert und sich zu wenig austauscht.
Teamanalyse
Das kennt man schon aus der Teamarbeit in Präsenz. Forderungen, sich den „Lessons learned“ zu widmen, wurden gerne überhört. Kein Wunder, dass im Rahmen agiler Arbeit die Retrospektiven hohe Priorität genießen. Es liegen auch seit Jahrzehnten schon Instrumente zur Analyse von Teamarbeit vor, mit denen Teams ihre Arbeit reflektieren können. Zuletzt wurde auch ein Tool für agile Arbeit vorgelegt (Über halbvolle Gläser).
Der Beitrag der Autor:innen (Teamcheck ein digitales Tool zur selbstgesteuerten Teamanalyse und Teamentwicklung) beschreibt nun die Entwicklung und Evaluation eines digitalen Tools zur Teamanalyse und Teamentwicklung (TeamCheck). Es eignet sich insbesondere für virtuelle und hybride Teams. Das Tool enthält Fragemodule zum Aufgaben-, Rollen-, Zeit- und Medienverständnis. Zudem können die Aspekte Vertrauen, Kommunikation, Lernprozesse sowie Steuerung und Unterstützung im Team analysiert werden. Damit geraten auch spezifische Belastungsfaktoren in den Blick sowie die Teameffektivität.
Modulares, browserbasiertes System
Das Besondere am Tool ist, dass es eine browserbasierte Anwendung ist. Und es ist ein modulares System. Es besteht aus Fragenbatterien zu Teamkognitionen, Teamprozessen, Arbeitsbelastung und Teameffektivität mit insgesamt 15 Skalen. Die Fragen bauen in der Regel auf schon bekannten und bewährten Instrumenten auf. Teamleitungen können je nach Anlass oder Priorität auch einzelne Module auswählen.
Das Tool wirft automatisiert ein, auch grafisch visualisiertes, Feedback aus. „Um die Anonymität der Befragung zu wahren, kann der Detaillierungsgrad der Ergebnisdarstellung vorab festgelegt werden.“ Der Bericht stellt zudem heuristische Fragen zur weiterführenden Reflexion. Das ist bei anderen Anwendungen in der Regel nicht der Fall. Dort wird man mit dem Ergebnis eher allein gelassen oder ist auf ein Auswertungsgespräch mit einem Experten angewiesen.
Einsatzmöglichkeiten
„Der Einsatz des TeamChecks bietet sich insbesondere an, wenn ein Team neu gegründet wird.“ Die Entwicklung der Teamkooperation lässt sich dann im Zeitverlauf darstellen. Weitere Einsatzfälle wären, wenn sich die Teamzusammenstellung oder die Aufgaben verändern. Interessant ist der Einsatz des Tools auch für KMU. Sie besitzen oft keine eigenen Fachkräfte für Organisationsentwicklung. Mit dem TeamCheck eröffnet sich ihnen die Möglichkeit, die kritischen Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit ihrer Teams ohne großen Aufwand, online und maßgeschneidert zu erfassen.
Bei den Hinweisen zur Teamentwicklung halten sich die Autorinnen leider bedeckt. Doch das Thema hat hohe Relevanz. Zum Glück gibt es dazu andernorts schon hervorragende Anregungen, die eben auch sehr stark auf das Thema Medienkompetenz abheben (Die Neuen gut integrieren). Wobei man nicht stehen bleiben sollte. Denn virtuell sind wir nicht alle gleich, wie das Autorenteam um den renommierten Führungsforscher Jürgen Weibler eindrucksvoll dargelegt hat (Wo die Häsin im Pfeffer liegt). Zum Thema Gender findet sich im Tool TeamCheck leider kein Hinweis.