2. Juni 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Hilfe, mein Chef übergeht mich!

KRITIK: Mal angenommen, Sie haben eine Position im mittleren Management inne, geben Ihr Bestes und führen Ihren Bereich nach bestem Wissen und Gewissen. Sie machen sich auch eine Menge Gedanken, was Sie verbessern können und gehen dann eines Tages zu Ihrem Chef, um ihm Ihre Vorschläge zu unterbreiten. Aber anstatt beeindruckt zu sein und sich bei Ihnen zu bedanken, hat dieser offenbar eigene Pläne in der Tasche und interessiert sich für Ihren Ansatz überhaupt nicht.

Das ist nur ein Beispiel, worüber sich Menschen mächtig aufregen können, die feststellen, dass es mit der Würdigung ihres Engagements im Unternehmen nicht weit hier ist. Und die dann – verständlicher Weise – enttäuscht, gekränkt und auch wütend sind. Bloß nicht mit Wut im Bauch zum Chef laufen, rät ein Karriereberater in der Wirtschaftswoche (Am Leberwurstäquator), „Wut und Enttäuschung haben in Gesprächen mit dem Chef per se nichts verloren“.


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Das sehe ich anders, aber der Reihe nach. Zunächst: Dass Mittelmanager öfter einen Grund haben, eingeschnappt zu sein, wie es der Beitrag suggeriert, ist albern. Fragen Sie mal die Mitarbeitenden dieser Mittelmanager … Zum anderen: Dieses Beispiel wie auch ein weiteres, bei dem der Manager nach seinem Urlaub feststellt, dass sein Chef einige seiner Leute von einem Projekt abgezogen hat, obwohl er doch vorher mit diesen einen Plan entwickelt hat, das Projekt zu retten, zeigt mal wieder, das solche einfachen Tipps wenig hilfreich sind.

Perspektive wechseln

Und die Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Natürlich ist es nie hilfreich, seinem Ärger freien Lauf zu lassen. Erst einmal durchatmen und eine oder mehrere Nächte drüber schlafen. Und dann genauer hinschauen, „was einen wirklich störe“, wie eine Management-Coach erklärt. Dann könnte die Bewertung der Situation schon anders aussehen. An dem Beispiel: Natürlich hätte man gerne, dass der Chef den erarbeiteten Vorschlag toll findet, aber vielleicht ist es noch viel ärgerlicher, dass dieser, ohne uns zu fragen, bereits eigene Vorstellungen von einer Neu-Organisation hat.

Wenn man dann noch Tipp Nr. 2 befolgt, nämlich neue Blickwinkel einzunehmen („Wie stellt sich die Situation für den Chef dar?“ – „Wie würden neutrale Dritte die Situation beschreiben?“) kommt man vielleicht drauf, dass hier die Kommunikation in beide Richtungen nicht funktioniert. Der Chef brütet über Änderungsvorschläge, von denen der Mitarbeitende nichts weiß und umgekehrt.

Dann wäre es an der Zeit, genau darüber miteinander zu reden. Statt also beleidigt zu sein, wäre das Thema: „Offenbar machen wir beide uns Gedanken über Optimierungsmöglichkeiten, von denen der andere nichts weiß. Wollen wir in Zukunft unsere Ideen austauschen und zu gemeinsamen Lösungen kommen?“ Das gilt übrigens auch für den zweiten Fall. Auch hier wusste der Chef nichts von den Versuchen, das Projekt zu retten.

Wut und Enttäuschung äußern?

Und was ist mit der Situation, dass jemand bei Beförderungen oder der Vergabe interessanter Projekte übergangen wird? Hier rät der Karriereberater von Kritik am Chef ab, das würde schnell neidisch klingen. Und schon gar nicht seine Wut zeigen. Stattdessen sollte man sagen: „So eine tolle Aufgabe will ich auch. Wie könnte ich mich dahin entwickeln?“ Und dabei womöglich noch begeistert lächeln.

Auch hier könnte es helfen, die Perspektiven zu wechseln und zu schauen, wie die Situation sich aus der Sicht des Chefs darstellt. Und was Dritte dazu sagen. Wenn dann immer noch Enttäuschung und Wut überwiegen, darf man diese äußern. Dann erklären, dass man an solchen Positionen oder Projekten interessiert ist und schließlich um eine Erläuterung bitten, wie sich die Situation aus der Sicht des Chefs darstellt. Danach kann man sich überlegen, ob man im richtigen Unternehmen ist und muss sich nicht mehr länger aufregen. Wie in dem Fall, bei dem der Betroffene mehrfach übergangen wurde und schließlich doch das Unternehmen verließ.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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