INSPIRATION: Was tun, wenn man im eigenen Unternehmen illegale Machenschaften entdeckt? Die Augen schließen und so tun, als habe man von nichts gewusst, dürfte eine der häufigsten Reaktionen sein. Die Verantwortlichen direkt ansprechen, sollte der Normalfall sein, oder? Andererseits: Wenn Sie wissen, dass jemand ein Verbrechen begangen hat – würden Sie ihn auffordern, sich bei der Polizei zu melden? Oder nicht doch eher selbst Anzeige erstatten?
Also, gemäß eines neuen Gesetzentwurfs, der einer EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern folgt (Legal Footprint), sollen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern eine Meldestelle einrichten, an die man sich anonym wenden kann (Unternehmen, hört die Signale!). Das Gesetz, das im Bundesrat erst einmal durchfiel, sieht hohe Strafen für diejenigen Unternehmen vor, die eine solche Möglichkeit nicht schaffen oder bei Meldungen unangemessen reagiert. Also zum Beispiel die Vertraulichkeit missachten oder Hinweise missachtet.
Womit wir beim Thema sind: Vertraulichkeit. Oder vielmehr: Anonymität. Grundsätzlich finde ich jeden Ansatz, der nur funktioniert, wenn Menschen anonym bleiben, schwierig. Denn dieser birgt drei Risiken: Menschen können den Schutz nutzen, um andere zu denunzieren, und so objektiv und sorgfältig die folgenden Untersuchungen auch sein mögen, für die Betroffenen besteht die Gefahr, dass etwas „hängen bleibt“. Anonyme Hinweise führen ganz automatisch dazu, dass sich die Verantwortlichen den Kopf zerbrechen, wer wohl dahinter stecken mag, die Folge ist weiteres Misstrauen. Und schließlich: Ganz gleich, wie sicher das System für die Hinweisgeber auch ist: Es ist nicht auszuschließen, dass ihre Identität irgendwann doch auffliegt, und was mit Whistleblowern passiert, ist hinlänglich bekannt.
Apropos System: Es reicht eigentlich ein Briefkasten, in den man anonyme Hinweise einwirft. In der heutigen Zeit ist man natürlich weiter. Ob man eine interne Lösung schafft, bei dem es einen anonymen Kommunikationskanal gibt, z.B. ein anonymes Postfach, bei dem der Absender nicht zurückverfolgt werden kann, das aber die Möglichkeit der Nachfrage bietet, oder ob man einen externen Anbieter nutzt, über dessen Server die Meldungen laufen und von diesem ausgewertet werden – so manches ist schon Alltag.
Was das Gesetz noch vorsieht, ist eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz, aber das dürfte den Unternehmen gar nicht schmecken. Schließlich möchte man solche Dinge erst einmal im eigenen Haus klären. Einerseits nachvollziehbar, andererseits auch etwas merkwürdig, oder? Wäre ich Chef eines größeren Unternehmens, hätte ich es sicher auch nicht gerne, wenn die Behörde eines Tages aufgrund eines anonymen Hinweises vor der Tür steht und Nachforschungen betreibt. Aber was ist mit den Mitarbeitern im eigenen Haus, die diesen Anschuldigungen nachgehen sollen? Große Unternehmen werden entsprechende Abteilungen und geschultem Personal hierfür haben, auch wenn das sicher keine allzu angenehme Aufgabe ist. Aber wie sieht das bei Mittelständlern mit über 50 Mitarbeitern aus? Engagieren diese dann einen privaten Sicherheitsdienst oder regeln das „innerhalb der Familie“? Schwieriges Thema, und alles andere als neu (Gespaltene Loyalität).