14. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Industrial Parshipping?

KRITIK: Überall wird fleißig digitalisiert – mehr oder weniger. Wer nicht mitmacht, landet auf den letzten Plätzen. Das gilt natürlich auch für das Personalmanagement. Die Erwartungen sind, wie überall, groß, nur hinkt die tatsächliche Entwicklung hinterher. Die OSC hat sich dankenswerter Weise der Frage gewidmet, wohin das mit der Digitalisierung von HR führen wird (Digitalisierung von HR – Utopie oder Dystopie?). Mit folgenden Erkenntnissen:

Die Anzahl der Anbieter hat sich in den letzten 10 Jahren halbiert, es haben sich also einige der Großen durchgesetzt. Und deren Systeme decken dann alles ab. Ist ja auch nachvollziehbar: Wer möchte schon für jeden Vorgang auf eine andere Software zugreifen. Und weil die Programme so fortgeschritten sind, könnte doch eigentlich ein zentrales Versprechen erfüllt werden, nämlich dass HR Kosten reduzieren kann. Wodurch? Na, indem man weniger Mitarbeitende bei HR benötigt. Ob das eingetreten ist, verrät der Beitrag nicht, bisher scheint zumindest kein bedeutender Effekt zu verzeichnen zu sein.


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Mit der Konsolidierung des Marktes und die Zusammenführung der Lösungen geht allerdings eine große Gefahr aus: Die Unternehmen hängen damit am Tropf der Anbieter – die Software bestimmt die Prozesse. Die Erfahrung dürften die meisten von uns schon gemacht haben: Wir stehen vor einem Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Behörde, der starrt auf seinen Bildschirm, tippt auf seiner Tastatur herum und erklärt irgendwann: „Tut mir leid, das erlaubt das System nicht, da kann ich nichts machen!“

Identische Systeme?

Das mag man bei der Bestellung von Waren vielleicht verkraften können, aber beim Umgang mit Mitarbeitenden ist das schon bitter. Letztens las ich von einem Fall, in dem ein Unternehmen sehr flexible Arbeitszeitregelungen anbot, aber dann auf Wünsche stieß, die deshalb nicht erfüllt werden konnten, weil sie im System „nicht hinterlegt waren“ (sagt man doch so, oder?).

Damit ist auch eine weitere Gefahr verbunden: In allen Unternehmen, die an diesen Systemen hängen, sind die Prozesse identisch. Wer sich von anderen unterscheiden möchte, dem sind die Hände gebunden. Und schließlich besteht die Gefahr, dass Prozesse eingeführt werden, einfach weil man dafür die Software hat, ich denke an solche Dinge wie Zielvereinbarungen oder Beurteilungen.

Also mehr Fluch als Segen? Schauen wir uns ein weiteres Versprechen an: Mit Hilfe von „Matching Programmen“ können Unternehmen den idealen, genau auf sie zugeschnittenen Mitarbeitenden finden. Industrial Parshipping. Auf der einen Seite stellt man die Unternehmenskultur dar (ich vermute, da gibt es dann umfangreiche Kataloge, in denen man dann mit vielen Klicks oder per Verschieben von Reglern genau einstellen kann, wie das Unternehmen so tickt). Und dann sucht die Software aus dem Pool der Bewerber denjenigen aus, der genau zur Unternehmenskultur passt.

Setzt, wie immer bei solchen Modellen, eine entsprechende Datenqualität voraus. Vergleichen wir das mal mit einem Roman, der mir beim Online-Händler empfohlen wird. Ob dieser wirklich meinen Geschmack trifft, hängt davon ab, wie zuverlässig die Beschreibungen anderer Leser sind. Das ist nicht allzu schwierig. Aber bei einem Menschen? Welche Daten habe ich über ihn? Kommt es soweit, dass jeder die Ergebnisse seiner Persönlichkeits- und Intelligenztests in der Cloud ablegt und dazu noch jede Menge Referenzen von ehemaligen Vorgesetzten und Kollegen, und ein Algorithmus erstellt daraus ein Profil? Die Konsequenzen lassen sich leicht ausmalen.

Kultur? Welche Kultur?

Auf der anderen Seite: Wie aussagekräftig mögen wohl Beschreibungen und Kategorisierungen einer Unternehmenskultur sein? Als ob es DIE Kultur tatsächlich gibt. Je nachdem, welcher Bereich bzw. welche Abteilung jemanden sucht, dürfte das sehr unterschiedlich aussehen. Vielleicht bastelt die Software irgendwann aus den Profilen der Mitarbeitenden und Führungskräften jeder Abteilung ein „Matching-Profil“ der suchenden Abteilung und sucht dafür dann das passende Puzzleteil? Herausfordernd.

Apropos Cloud: Die Sorgen, dass die eigenen Daten oder die der Mitarbeitenden nicht geschützt sind, wenn man sie einem Anbieter anvertraut, der sie in der Cloud lagert, scheinen keine große Rolle mehr zu spielen. Spiegelt ja auch das Verhalten von uns allen wider, die jedes Formular im Netz gewissenhaft ausfüllen und unseren Werdegang in sozialen Medien pflegen.

Aber wir übersehen vermutlich alle, wie durchschaubar wir inzwischen geworden sind. Jeder Schritt, den wir im Netz tun, erzeugt Daten, und das passiert auch am Arbeitsplatz. Vermutlich brauchen wir irgendwann gar keine Informationen über uns mehr irgendwo einzupflegen. Alles, was wir von uns geben, wird gesammelt, analysiert, neu zusammengesetzt zu unserem digitalen Zwilling. Und die HR-Software der Unternehmen kann sich dann, ob mit oder ohne unser Einverständnis, direkt an uns wenden, da brauchen wir uns auch gar nicht mehr zu bewerben. Wir bekommen eine Anfrage, dass das System festgestellt hat, dass wir perfekt auf eine bestimmte Stelle passen.

Fluch oder Segen? Beides, so das Fazit in dem Beitrag, und die Frage, wohin sich das alles wohl entwickeln wird, bleibt unbeantwortet. Oder besser: Wir werden darauf verwiesen, dass die Zukunft es zeigen wird. Womit wir nicht wirklich schlauer sind.

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