KRITIK: Soso, die Anwendungsbereiche generativer KI (wie ChatGPT) in der Rechtspraxis sind grenzenlos, warum dann nicht auch bei Mediationsverfahren? Das erklären zwei Juristen in der ZfKM und bringen dazu auch Beispiele. (Chat GPT in Mediation und Schlichtung). Also haben sie den Kollegen ChatGPT erst mal gefragt, ob er sich vorstellen kann, als Mediator tätig zu werden. Und er hat ihnen erklärt, dass er Informationen bereitstellen und als Werkszeug dienen kann. Vorausgesetzt, ein menschlicher Mediator ist anwesend.
Nun denn – wie kann das in der Praxis aussehen? Er kann zum Beispiel Mediationsinteressierte im Vorfeld mit Informationen versorgen. Ach, denke ich, das kann ich doch auch so überall nachlesen, vor allem: Bisher macht der Kollege noch üble inhaltliche Fehler. Aber wie sieht es aus, wenn man ihn um eine rechtliche Bewertung eines Sachverhaltes bittet? Keine gute Idee, sagen die Autoren, denn auch hier sind die Antworten höchst kritisch zu hinterfragen, was Mediatoren, die selbst keine juristische Ausbildung haben, dann gar nicht beurteilen können.
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Da die KI leider über keine emotionale Intelligenz verfügt, erscheint sie auch weniger zum Einsatz bei hoch emotionalen Konflikte wie z.B. Familien- oder Erbschaftsstreitigkeiten zu taugen. Was bleibt dann noch? Wirtschaftsmediation lautet die Antwort, weil hier angeblich die Emotionen eine geringere Rolle spielen. Ha, da merkt man, dass sich hier Juristen äußern …
Aber damit ist immer noch nicht klar, wie das in der Praxis funktionieren könnte. Eine Idee wäre: Wenn die Beteiligten unter Hilfe des/der Mediators/Mediatorin ein Ergebnis erarbeitet haben, teilen sie der KI die Eckpunkte mit und sie erstellt einen Textentwurf, der dann gemeinsam angepasst wird. Mag sein, dass das Zeit erspart, aber das ist in der Tat tatsächlich nicht mehr als ein praktisches Werkzeug.
KI als Schreibkraft
Zweite Idee: Der Konflikt ist festgefahren, er wird der KI beschrieben und diese entwirft neue Fragen oder erstellt Zusammenfassungen der wichtigsten Streitpunkte. Ob da etwas Neues herauskommt, stelle ich mal in Frage, hängt wohl von der Erfahrung des Mediators ab.
Dritte Idee: Man schildert der KI den Fall und lässt sie einen Schlichtungsvorschlag machen. Genau das wird hier in einem schlichten Nachbarschaftsstreit durchgespielt, bei dem es um Grillaktivitäten und den daraus resultierenden Geruchsbelästigungen geht. ChatGPT empfiehlt daraufhin der Partei A, das Grillen auf bestimmte Zeiten zu beschränken und eine Grillabdeckung anzubringen. Und beide Parteien sollten sich „verpflichten, bei weiteren Problemen fair und konstruktiv miteinander zu kommunizieren.“
Das Ergebnis finden die Autoren recht beeindruckend. Echt jetzt? Wären die Empfehlungen von einer Mediatorin gekommen – wäre man ähnlich beeindruckt? Mich haut das alles nicht vom Hocker. Mir kommt aber ein Gedanke, der vielleicht tatsächlich für den Einsatz der KI in solchen Fällen spricht.
Mediator*innen sollen ja allparteilich sein bzw. neutral, also allen Parteien die gleiche Wertschätzung und Aufmerksamkeit zukommen lassen. Ich bin mir sicher, dass genau dieses Prinzip immer wieder von Streitparteien in Frage gestellt bzw. auf eine harte Probe gestellt wird. Mal angenommen, man schildert in Anwesenheit von allen Parteien das Problem (mit Zustimmung der Parteien) einer KI, dann könnte das eher zum Gefühl führen, dass diese vermutlich niemanden benachteiligt und „objektive“ Ratschläge gibt.
Ich befürchte allerdings, dass Menschen viel zu clever sind, als sich damit abzufinden. Sie werden vermutlich fordern, die KI mit der kompletten Vorgeschichte zu füttern und auch zu berücksichtigen, wer beim letzten Mal nachgegeben hat. Wetten, dann kommt auch sie ins Schleudern?