INSPIRATION: Regionale Mittelständler haben viele Vorteile, aber gegenüber den Großen auch einige Nachteile. Damit ist jetzt mal nicht das Recruiting Problem gemeint, sondern zum Beispiel Nachteile beim Einkauf. In einem bemerkenswerten Projekt in Unna haben sich Mittelständler zusammen getan und profitieren von diesem Verbund auf vielfältige Weise. Beim Lesen des schönen Beitrags in der Brand eins (Die Unna-Connection) habe ich mich an Beiträge vor vielen Jahren erinnert, bei denen Ähnliches berichtet wurde, ich weiß nicht, was daraus geworden ist (PERSONAL – Ausgabe 2008/Heft 10: Rosemarie Fiedler-Winter – Im Verbund entwickelt, S.42-44). So viel steht fest: Damals wie auch hier standen engagierte Menschen hinter dem Projekt, sie bilden praktisch das Herz, den Motor, der den Verbund am Leben hält.
In Unna ist es eine Organisationsentwicklerin mit fünf Mitarbeiterinnen (schöner Satz: „Wir hätten auch gerne einen Mann, aber wir entscheiden bei unseren Einstellung nur nach Kompetenz“), der es gelungen ist, 73 mittelständische Unternehmen für das Unterfangen zu begeistern. Wobei der Nutzen vermutlich allen sehr schnell klar war: Bündelt man die Einkaufsmacht, lassen sich ähnliche Einsparungen erzielen wie vergleichbare Konzerne das schaffen. Und so ist es wohl auch. Unternehmen mit bis zu 150 Mitarbeitern zahlen knapp 5000 Euro ein, sparen im Jahr im Schnitt 23.000 Euro. Das lohnt sich.
Eine Art „Selbsthilfegruppe“ für Unternehmen
Das NIRO-Netzwerk (Netzwerk Industrie Ruhr Ost) bietet aber noch viele weitere Vorteile. Drei Grundsätze gibt es:
- Es werden keine direkten Wettbewerber aufgenommen.
- Es werden nicht mehr als 80 Unternehmen aufgenommen.
- Die Werkgelände dürfen nicht mehr als eine Autostunde von der Geschäftsstelle entfernt sein.
Gerade letzteres weist auf einen elementaren Umstand hin: Nähe ist wichtig, zusammen mit Vertraulichkeit bildet sie „das A und O“ dieses Verbundes. Und noch etwas ist bemerkenswert: Hier machen eine ganze Reihe klassischer Produktionsbetriebe mit. Und die Leiterin des Netzwerkes sagt von sich, dass sie „unheimlich gerne Hydraulik Öl riecht“. Soll heißen: Hier ist der klassische Mittelstand anzutreffen, darunter sogar Weltmarktführer in ihrer Branche. Und wer sie gewinnen will, muss ihre Sprache sprechen.
Die weiteren Vorteile sind: Man trifft sich in mit den Fachleuten aus den Unternehmen zum Erfahrungsaustausch. Schönes Beispiel: Was tun, wenn man bei einer Ausschreibung mitmacht und nicht weiß, ob man den Zuschlag bekommt, dann aber ganz schnell die Produktion hochfahren muss? Was legt man sich auf Lager? Wie organisiert man das? Hier gibt es durchaus Erfahrungen in anderen Branchen, von denen die Firmen profitieren. Junge Talente werden von der NIRO-Akademie betreut, sie können sogar durch mehrere Produktionsbetriebe rotieren – das schaffen so manche Konzerne nicht.
Die Damen vom Netzwerk organisieren die Treffen, laden Wissenschaftler zu Vorträgen ein, initiieren Gesprächsrunden „zu Themen wie CO2 Bilanzierung oder Selbstmanagement“. Und als viele ins Homeoffice mussten, stellte man rasch auf Online-Treffen um. Wodurch sogar neue Arbeitskreise und Treffen entstanden, die mit Anreise wohl kaum zustande gekommen wären.
Spannend finde ich noch eine Zahl: Etwa ein Drittel der Mitglieder macht nur mit, um die Einkaufsvorteile zu nutzen, sie öffnen sich nicht dem Rest und wollen offenbar auch nicht von deren Erfahrungen profitieren.