INSPIRATION: Immer wenn es um das Thema „Gerechtigkeit“ geht, wird es schwierig. Ist es gerecht, wenn die einen im Schlafanzug von zuhause arbeiten und die anderen in der Produktion kilometerlange Anfahrwege hinnehmen müssen? Haben sie sich selbst ausgesucht, könnte man sagen. Hilft nur nicht viel. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, wird sich nur bedingt mit diesem Argument beruhigen lassen. Er wird vielmehr sagen: „Die Rahmenbedingungen wurden einseitig geändert: Ihr da oben macht es euch einfach, spart Büroflächen ein und einzelne von uns profitieren davon, wir hingegen gucken in die Röhre. Das war so nicht vereinbart.“
Stimmt, muss man zugeben. Erinnert mich an Zeiten, als Konzerne entschieden, einzelne Bereiche auszugliedern, u.a. um Personalkosten zu sparen, weil die ausgegliederten Unternehmensteile unter einen anderen Tarifvertrag fielen. Danach arbeiteten Menschen zusammen, die die gleiche Arbeit machten, aber unterschiedlich bezahlt wurden. Ähnlich ist es bei Mitarbeitenden von Zeitarbeitsfirmen.
Was ist gerecht?
Will sagen: Die Arbeitswelt ist nicht gerecht. Sollte Arbeitgeber aber nicht davon abhalten, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie zumindest für ein wenig mehr Gerechtigkeit sorgen können. Vielleicht haben sie auch selbst etwas davon, zumindest hätten sie weniger unzufriedene Beschäftigte, die sich in Zeiten des Homeoffice als die Verlierer fühlen (Nur kein Neid, Kollege). Haben wir bei MWonline auch schon mal behandelt unter dem Stichwort „Deskless Workforce“ (Jenseits des Büros).
Es gibt nun unterschiedliche Wege, für mehr Ausgewogenheit zu sorgen. Man könnte den einen mehr zahlen, also jenen, die vor Ort unverzichtbar sind. Oder den anderen weniger, also jenen, die zu Hause bleiben dürfen. Aber Geld ist nicht alles, so manch einer wird sich eine ähnliche Flexibilität wünschen, wie er diese bei den Homeoffice-Workern vermutet. Also gilt es, eher hier anzusetzen. Dazu zählen flexible Schichtsysteme, bei denen die Mitarbeitenden selbst entscheiden, wer von wann bis wann arbeitet. So etwas gibt es anscheinend bei Siemens Healthineers. Oder man bietet ein Modell an, bei dem die Mitarbeitenden selbstständig die Schichten tauschen können, dank digitaler Lösungen ist das in den USA wohl schon häufiger im Einsatz. Viel mehr hat die Autorin in der Wirtschaftswoche nicht aufgetrieben. Gleittage, Freischichten und Sabbaticals sind wohl kaum innovative Ansätze, gleichwohl immerhin eine Empfehlung. Wie auch die Möglichkeit zusätzlicher freier Tage.
Eher bitter, dass bei einer Umfrage unter den Dax-Konzernen viele das gar nicht als Problem wahrnehmen. Fast zynisch die Antwort von Adidas: Dort hat man die Produktion fast komplett nach Asien ausgelagert, damit ist man das Problem los. Na super…
Vielleicht liegt die Lösung dann wohl doch in der Zukunft. Bei Siemens Healthineers experimentiert man mit Virtual-Reality-Brillen, die Servicetechniker an entfernten Standorten vor Ort nutzen, um Wartungsarbeiten vorzunehmen, da muss der Experte aus der Zentrale nicht eigens anreisen und kann in seinem gemütlichen Homeoffice sitzen. Lässt für die Zukunft so einiges erwarten: Menschenleere Fabriken, die von Mitarbeitenden tatsächlich von zuhause aus gesteuert werden. Die Handarbeit übernehmen dann Roboter. Klingt utopisch, bis es soweit ist, sollten Unternehmen sich vielleicht etwas einfallen lassen, um den Neid nicht zu groß werden zu lassen.