INSPIRATION: Das ist banal: Die Basis für eine erfolgreiche Unternehmung ist die Unternehmenskultur. Deren Basis wiederum sind die gelebten Werte (nicht die proklamierten). Wer möchte, dass bestimmte Werte gelebt werden, muss dafür sorgen, dass sie mit denen der Unternehmensleitung übereinstimmen, sonst interessiert sich kein Mensch dafür. Ein Musterbeispiel hierfür ist ein Versicherungsunternehmen namens Hiscox, das mit Hilfe von Beratern sehr glaubwürdig die Werte von ganz oben kommuniziert und dafür sorgt, dass auch die Belegschaft diese vertritt (Glaubwürdige Werte – wie der CEO von Hiscox die Firmenkultur lebt und verankert).
Ich reagiere auf solche Darstellungen automatisch mit Skepsis, weil bei näherem Hinsehen meist dann doch viel mehr Schein als Sein zu finden ist. Was bei Hiscox geschah, ist allerdings in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Der CEO sorgte dafür, dass sein Managementteam sich regelmäßig außerhalb des Unternehmens traf und die interne Zusammenarbeit reflektierte. Mithilfe externer Moderation definierte man Ziele für die Zusammenarbeit und jedes Mitglied des Managementteams bewertete vor jedem Treffen den Stand dieser Ziele anonym. Die Punkte, die auf der Teamampel auf Gelb oder gar Rot standen, wurden diskutiert und mithilfe der kollegialen Fallberatung Lösungen entwickelt. Außerdem holten sich alle Mitglieder regelmäßig Feedback ein. Nach fünf solcher Treffen in anderthalb Jahren standen alle 22 Fragen der Teamampel auf Grün. So konnte das Team die Abfrage auf gelegentliche Checks reduzieren.
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Die Werte der Firma
Danach erst erarbeitete das Managementteam die Werte der Firma, heraus kamen fünf Werte (Mut, Verantwortung, Integrität, Miteinander, Menschlichkeit) mit jeweils bis zu 14 konkreten Verhaltensankern. Ein Beispiel für Integrität: Versprechen einhalten, ehrlich zum Kunden sein, unangenehme Themen klar ansprechen, nicht arrogant sein …
Die Werte und Verhaltensanker landeten in einem „kleinen roten Handbuch der Servicekultur“ und wurden an alle Mitarbeiter verteilt. Die spannende Frage bei einem solchen Vorgehen ist natürlich, ob Mitarbeiter das tatsächlich ernst nehmen. Oder sich kaputtlachen über die hehren Vorstellungen, von wegen „Steh zu deinen Fehlern!“ oder „Nimm dir Zeit, Spaß zu haben!“. Tatsächlich wirkt so etwas ja nur dann glaubwürdig, wenn in konkreten Situationen das Top-Management entsprechend der Werte handelt. Vor allem dann, wenn Werte miteinander kollidieren. Offenbar gelingt das bei Hiscox, zumindest hat sich das Unternehmen wirtschaftlich prächtig entwickelt.
Was zur nächsten Problematik führt: Klappt das mit der Kommunikation der Werte auch noch, wenn das Unternehmen wächst? Die Antwort bei Hiscox ist ein interaktives Lernprogramm – eine App mit Übungen, bei der die Lernenden über drei „Boxenstopps“ erfahren, was von ihnen erwartet wird und üben sollen, die Werte in Verhalten gegenüber Kunden umzusetzen. Da tauchen dann Sätze auf wie „Vor die Wahl gestellt, strikte Spielregeleinhaltung oder Menschlichkeit, entscheide dich für die Menschlichkeit“. Bemerkenswert für einen Versicherer, oder?
Von Skepsis zu Optimismus – doch leise Zweifel bleiben
Meine Skepsis schlug beim Lesen des Beitrags in Optimismus um. Ich zucke zwar sowohl beim „kleinen roten Büchlein“ als auch bei einer Lernapp zum Thema Werte. Was mich doch schon an religiöse Gemeinschaften erinnert. Aber das Vorgehen, zuerst im eigenen Managementteam für eine funktionierende Zusammenarbeit zu sorgen und mit diesen Erfahrungen über Unternehmenswerte nachzudenken, ist schon beeindruckend.
Bleibt die Frage, was geschieht, wenn entweder der wirtschaftliche Erfolg mal ausbleibt oder wenn der CEO geht – wie nachhaltig mag eine auf diese Weise gestaltete Unternehmenskultur wohl sein?