INSPIRATION: Da musste ich erst einmal in mich gehen: Stimmt es, dass es einen Trend zur Abkehr von der Arbeit gibt? Dass Menschen mehr und mehr davon träumen, gar nicht mehr arbeiten zu müssen? In dem Beitrag von Hans Rusinek (Zusammenhalten) werden hierfür einige Belege angeführt: Menschen kämpfen für ein bedingungsloses Grundeinkommen, Träumen vom Bitcoin-Reichtum oder der Frühpensionierung – und wenn all das in weite Ferne rückt, kündigen sie innerlich. Naja, denke ich mir, von der Frührente haben auch andere Generationen schon geträumt, ebenso von einem Lottogewinn. Das mit dem Grundeinkommen ist neu, aber die Begründung lautet hier ja kaum, dass man Arbeit überflüssig macht, sondern den Menschen Wahlmöglichkeiten eröffnen möchte.
Nachdenklicher macht mich schon ein anderes Argument: Für viele Eltern wird Arbeit zum Problem und ist nicht Teil der Lösung. Auf die „Care-Arbeit“ – Stichwort Kindergarten – ist kein Verlass, und die Probleme des Planeten und damit der nachfolgenden Generation lösen wir mit der Arbeit, mit der wir unseren Lebensunterhalt verdienen, auch nicht. Dass Motiv unserer Eltern, dass nämlich ihre Kinder es mal besser haben sollen, gilt nicht mehr. Und schließlich wird uns immer häufiger unter die Nase gerieben, dass Computer und Maschinen ohnehin bald den Großteil unserer Arbeit verrichten werden.
Bald überflüssig?
Ist die Arbeitswelt also ein Auslaufmodell? Und Arbeit nur noch notwendiges Übel, das man sofort abschüttelt, wenn es sich irgendwie rechnet? Dann kriegen wir ein großes Problem, dass sich schon andeutet: Die Gesellschaft wird sich weiter spalten: Die einen, die gerne aufhören möchten, es sich aber nicht leisten können. Die anderen, wenn auch die Minderheit, die über soviel finanzielle Freiheit verfügen, dass sie zumindest nicht mehr in Vollzeit arbeiten müssen.
„Müssen“ ist das Stichwort. Es impliziert, dass Arbeit im Wesentlichen zur Sicherung unserer Existenz beiträgt. Und übersieht, dass sie weitaus mehr leistet, nämlich unsere Grundbedürfnisse nach Anerkennung, Autonomie und Zugehörigkeit zu erfüllen. „Auf der Arbeit“ lernen wir, uns mit anderen auseinanderzusetzen, die wir uns nicht ausgesucht haben, mit ihnen gemeinsam Ziele zu erreichen und entwickeln uns persönlich weiter.
„Eigentlich“ gefällt uns die Arbeit
Woraus sich für mich ganz zwangsläufig ergibt, dass für viele Menschen ihr aktueller Job eben genau diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt. Ich kenne viele Menschen, die sagen, dass ihnen die Arbeit „eigentlich“ ganz gut gefällt, wenn da nicht … Und dann kommen sie, die typischen Ursachen für Unzufriedenheit, und siehe da: Es geht um fehlende Anerkennung, fehlenden Handlungsspielräume und mangelndes Wir-Gefühl. Da sind sie wieder, die Grundbedürfnisse.
Rusinek empfiehlt uns, bei jeder beruflichen Entscheidung über dieses Dreieck nachzudenken: Bringt sie uns ein Mehr an Autonomie, aber weniger Anerkennung? Mehr Gemeinschaft und Anerkennung, aber weniger Autonomie? Ein guter Tipp.
Mindestens ebenso hilfreich wäre es, wenn Arbeitgeber sich stärker bei der Ausgestaltung von Jobs an diesem Dreieck orientieren würden. Das, so macht der Beitrag auch deutlich, würde zum Beispiel dazu führen, potenzielle Kandidaten unabhängig vom Alter einzustellen. Denn egal wie groß die vermeintlichen Unterschiede bei den Generationen sein mögen (was ziemlich fraglich ist) – allen ist gemeinsam, dass sie ihre Fähigkeiten entwickeln wollen. Man muss sie nur lassen.