KRITIK: Die ewig gleiche Frage des Personalers: Wie findet man den richtigen Kandidaten für eine Aufgabe oder Position? Warum sollte das in der agilen Unternehmenswelt dann anders sein – wäre ja schön, wenn für jede Rolle auch der passende Inhaber ausgewählt wird. Vor allem: Agile Coachs müssen intensiv ausgebildet werden, da kommt eine Fehlbesetzung teuer.
In dem Fachbeitrag der wirtschaft + weiterbildung (Agile Coachs auswählen und ausbilden) wird beklagt, dass hier vieles dem Zufall überlassen wird, und dass längst nicht jeder, der sich diese Rolle zutraut oder dem sie zugetraut wird, eine solche auch ausüben kann.
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Was braucht also jemand, der für „geeignet“ befunden wird? Er soll beziehungsgestaltende Kompetenzen haben, sprich: Kommunizieren, Konflikte konstruktiv gestalten können etc; er soll kognitive und selbstregulatorische Fähigkeiten haben, z.B. Frustrationstoleranz; und er soll die Fähigkeit zur Selbststeuerung und zur Reflexion besitzen.
Super-Power?
Naja, denke ich, das fordert man doch auch von jeder Führungskraft, oder? Also schauen wir uns mal das Konzept an, mit dem die Kandidaten ermittelt werden. Zuerst gibt es einen „Agile Awareness Workshop„, wo ein Grundverständnis dessen vermitteln wird, was eine agile Transformation überhaupt bedeutet. Wenn dann die Bewerber nach wie vor Interesse an einer Ausbildung haben, bekommen sie eine Hausaufgabe, bei der sie sich mit ihrer Motivation beschäftigen sollen. Und sie füllen einen Persönlichkeitsfragebogen aus.
Und dann nehmen sie an einem „Agile Attitude Development Day“ teil. Hier wird ihre Motivation noch einmal hinterfragt, sie werden „mit gemeinsamen Übungen auch spielerisch mit agilen Prinzipien vertraut gemacht“. Am Ende bekommen sie ein Feedback und die Auswertung des Persönlichkeitsfragebogen. Danach können sie für sich entscheiden, ob sie sich tatsächlich in dieser Rolle vorstellen können.
Es folgt ein interessanter Satz: „Selbstverständlich liegt es auch im Interesse des Unternehmens zu schauen, an welchem Startpunkt der (agilen) Reise ihre Mitarbieter stehen …“ Soll das heißen, es geht jetzt eine Rückmeldung an die Personalabteilung, wie fortgeschritten der Mitarbeiter auf seinem Weg zum „Agile Coach“ ist, sprich: Ob er bereit für die Rolle ist? Dann klingt das schwer nach einem Assessment Center.
„Mindset“
Anschließend folgt die Ausbildung, in der rund 80% Haltung und 20% Technik vermittelt werden. Denn schließlich muss ein „Mindset“ vermittelt werden, die Agile Coachs sind auch Multiplikatoren, die die notwendige Einstellung vermitteln.
Ich bin sehr skeptisch, ob dieser Weg richtig ist. Er beruht auf den gleichen Annahmen, dass man mit drei Tagen Seminar oder Assessment Eignung erkennen kann. Was bei der Auswahl von Führungskräften schon selten bis gar nicht funktioniert, sollte man nicht nun auch noch auf all die Rollen in einer neuen Organisationskultur übertragen.
Das spricht nicht gegen Reflexion – jeder Mensch, der eine bestimmte Rolle übernehmen soll oder will, sollte sich das gut überlegen und dabei auch unterstützt werden. Aber bei der Entscheidung könnte man viel mehr auf die Intelligenz der Gruppe vertrauen statt mit externen Experten die eigenen Leute analysieren. Die Idee der agilen Organisation legt nahe, Experimente zu wagen, Dinge auszuprobieren und letztlich die Menschen selbst entscheiden zu lassen, was sie am besten können.