28. September 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Arbeitszeitsparkasse

INSPIRATION: Technische Innovationen ziehen unsere Aufmerksamkeit magisch an. Dabei haben soziale Innovationen nicht minder Wumms, unser Leben zu verändern. Und manche Änderungen der sozialen Spielregeln entpuppen sich als echte Game-Changer.

Was für eine schöne und interessante Idee, die die Autorengruppe rund um „Mr. Musterbrecher“, Hans A. Wüthrich, entwickelt hat (Experiment „Gegenwartskasse“): „In Zukunft soll es neben der Pensionskasse bzw. den Rentenleistungen, die finanzielle Mittel für die Zeit nach der Berufstätigkeit bereitstellen, auch eine Gegenwartskasse geben, die bereits im Arbeitsleben wirksam wird.“ Sie soll Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, sinnorientierte persönliche Vorhaben, statt diese auf Freizeit, Urlaub oder Ruhestand zu verschieben, mit unternehmensbezogenen Anliegen berufsbegleitend zu konzipieren und umzusetzen.

Ein institutionalisierter Raum der Weiterentwicklung

Die Basis der Idee ist, „dass Unternehmen Organe der Gesellschaft sind und der Zweck von Unternehmen daher ein gesellschaftlicher ist.“ Und dass die primäre menschliche Motivation Sinn lautet. Dazu schafft die „Gegenwartskasse“ einen Rahmen. Und zwar einen anderen als „bekannte Konzepte wie Sozialarbeit, Sabbatical, Jobtausch oder Seitenwechsel.“ Sie verknüpft den Unternehmenszweck mit den individuellen Sinnmotiv der Mitarbeitenden. Das kann und soll die Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden stärken. Die stärkere Zufriedenheit der Mitarbeitenden und eine geringere Fluktuation können ein Ergebnis sein.

Die Mitgliedschaft in der „Gegenwartskasse“ ist freiwillig. Sie zielt auf die Organisationsebene, und nicht wie der deutsche Bildungsurlaub auf die Ebene des Individuums. Daher soll sie auch paritätisch finanziert werden. „durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, und zwar in einer hybriden Form von Zeit (Überstunden, Ferientage etc.) wie auch in Form von Geld, wobei Arbeitgeber die Beiträge der Arbeitnehmenden verdoppeln.“

Denkbar ist auch, dass Unternehmen sich in Netzwerken organisieren, und angesparte Fondsbeiträge übertragen werden können – wie bei der Pensionskasse. Und dass Mitarbeitende dann in diesem Netzwerk flexibel an übergreifenden Projekten arbeiten können.

Konkrete Ausgestaltungsfragen

  • Projekt-Themen: Das Guthaben müssen den beiden Hauptzielen individuelle Sinnstiftung und gesellschaftliche Sinnstiftung dienen.
  • Entscheidungsprozedere: Es wird eine Plattform eingerichtet, auf der die Projekte eingereicht werden. Die Entscheidung erfolgt nach dem Konsent-Prinzip.
  • Verwaltung: Es braucht eine Stelle im Unternehmen, die Führung der Konten, Einzahlungs- und Bezugsprozesse regelt. Diese könnte im Personalbereich angesiedelt sein.
  • Teamorientierung: Synergie wird erst durch Kooperation ermöglicht.
  • Ausstiegsregelungen: Es muss geregelt sein, was passiert, wenn ein Beteiligter aus dem Unternehmen ausscheiden (z.B.: Kündigung). Es muss definiert werden, was mit dem bestehenden Guthaben geschieht.
  • Arbeits- und steuerrechtliche Aspekte: Eine finanzielle Abgeltung der Guthaben muss aus steuerrechtlicher Sicht ausgeschlossen werden. Die gesetzlichen Regelungen zur Höchstarbeitszeit und zum Mindestferienanspruch müssen beachtet werden.
  • Transfer auf andere Unternehmen: Wegen des bilanzrechtlichen Rückstellungsaufwands ist es sinnvoll, eine Obergrenze für die individuellen Guthaben festzulegen.

Es gibt einige Querverbindungen zur Idee einer „Gegenwartskasse“: Einerseits die schon ältere Idee eines Arbeitszeitkontos (Am Riemen reißen). Andererseits die Ideen eines Verantwortungseigentums (Die Seele des Unternehmens retten). Ich bin gespannt, ob und wie diese schweizerische Idee hierzulande Fuß fassen wird.

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