5. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Aufbruch ins Ungewisse

INSPIRATION: Zwei Anbieter von Assistenzleistungen für Behinderte fusionieren und beschließen, in diesem Zusammenhang auch gleich die Hierarchie abzuschaffen. Gut gemeint, aber offenbar alles andere als einfach umzusetzen. Wie es am Ende dann doch klappte. 

Angeregt wurden die Verantwortlichen durch die niederländische Buutzorg und die Bücher von Laloux. Die Grundidee ist sehr gut nachvollziehbar: Wer beeinträchtigte Menschen dabei unterstützen möchte, möglichst viel Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, der sollte das wohl auch seinen Mitarbeitenden zutrauen. Das bedeutete, dass diese neue Aufgaben übernehmen sollten, die sie bisher noch nicht bearbeitet hatten und sich vielleicht auch nicht zutrauten.


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Was passierte? Man stellte erst mal fest, dass es doch erhebliche Unterschiede nicht nur kulturell, sondern auch technisch und organisatorisch zwischen den beiden Organisationen gab. Während man mit diesen kämpfte, ruhte der OE-Prozess fast völlig. Das Chaos war greifbar, die Idee stieß auf Ablehnung und Führungskräfte verließen das Unternehmen. Selbst die Angehörigen der Betreuten beschwerten sich, weil sie ihre Ansprechpartner verloren.

Ein Leitbildprozess

Erst drei Jahre später startete man einen neuen Versuch. Diesmal setzte man ein eigenes Team auf, das einen Leitbildprozess startete – ein Gang ins Ungewisse. Man verabschiedete sich von Vorbildern, stattdessen versuchte man, einen eigenen Weg zu finden. Das Leitbild setzte neue Energie frei, anschließend startete ein 20-köpfiges Kernteam, das bereichs- und funktionsübergreifend und mit Teilnehmern aus dem Kundenkreis besetzt wurde, mit regelmäßigen Workshops einen Strategieprozess. Wichtigste Herausforderung: Es galt festzulegen, welche Entscheidungen in Zukunft von wem bzw. von welcher Rolle getroffen werden sollten. Und nicht nur wer sie trifft, sondern auch wie: Einzel-, Team-, Konsententscheid …

Das war offenbar der entscheidende Schritt, weil damit für Klarheit und Orientierung gesorgt war. Als Ergebnis entstand das Bild einer Kreisorganisation statt der klassischen Pyramide. Im Außenkreis befinden sich die einzelnen Standorte, im nächsten Kreis die unterstützenden Funktionen (Buchhaltung, IT, Einkauf etc.), dann die steuernden Funktionen, dann die Strategie und ganz innen die Geschäftsleitung. Wer jetzt nur eine andere Darstellung argwöhnt, dem wird hier versichert, dass der gravierende Unterschied zur Hierarchie derjenige ist, dass die inneren Kreise (bis auf die Geschäftsführung) den anderen gegenüber nicht weisungsbefugt sind. Jeder Kreis trifft eigenständig Entscheidungen und ist nicht verpflichtet, sich an die inneren Kreise zu wenden.

Eine Kreisorganisation

Die Kreise, die für übergeordnete Entscheidungen zuständig sind, haben damit natürlich trotzdem einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit der anderen. Allerdings sind sie partizipativ besetzt, in ihnen sitzen Vertreter aus dem äußeren Kreis als auch der Kunden. Das Fazit der Autorinnen (Healthcare ohne Hierarchie): Wer einen solchen Prozess vor sich hat, sollte

  • sich von Vorbildern lösen (was dann auch bedeutet, dass dieses Fallbeispiel eher als Anregung, aber nicht als Vorbild zu verstehen ist)
  • sich trauen, Entscheidungen zu treffen und diese bei Bedarf auch wieder zu revidieren
  • sich vor allem darum kümmern, die Entscheidungskompetenzen, die in alten Organisationen bei den Führungskräften liegen, zu klären
  • die Kunden integrieren
  • zwar den Prozess top-down anstoßen, aber die Ausgestaltung möglichst bald an diejenigen übergeben, die nach der neuen Struktur arbeiten müssen

Die Folgen in der Organisation sind offenbar spürbar: Motiviertere Mitarbeitende, das Wissen über die Organisation hat zugenommen, ebenso die Qualität der Diskussionen. Und es gibt am Ende einige schöne Beispiele, welche konkreten Vorschläge auch aus dem Kundenkreis inzwischen umgesetzt wurden. Das alles macht Mut.

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