19. September 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ein dicker Schmöker

REZENSION: Monika Zimmermann (Hrsg.) – Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäres, integratives Handbuch. Carl-Auer 2024.

„Warum ein weiteres Buch zu Coaching?“ Diese Frage wirft die Herausgeberin selbst im Vorwort ihres weit über 500 Seiten starken Buchs auf. Und ihre Antwort lautet, dass sie der Leserschaft eine Inspirationsfundgrube vorlegen möchte. Ausgehend von der Überzeugung, „dass es eben nicht die eine theoretische Grundlage für Coaching gibt“, möchte sie dem Publikum viele verschiedene Ansätze/Schulen vorstellen. Und damit auch Dissens und Stoff für Diskussionen liefern.


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Auf diese Weise wird gleich ein Heidenrespekt beim Lesenden induziert. Man ahnt, was da kommt: weit über 500 Seiten. Warum sollte man sich die Lektüre zumuten? Geht es nicht weniger anstrengend als mit einem Gewaltmarsch? Und so könnte man einfach stattdessen auf das schon länger etablierte Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching zurückgreifen. In diesem bekommt man in einzelnen Kapiteln auf zirka zehn Seiten schnell Orientierung – wenn sich das auch auf über 800 Seiten summiert.

Oder man nimmt ein Fachbuch zur Hand, das sich auf lediglich eine „Coaching-Schule“ konzentriert. Auch das wäre ökonomischer fürs Publikum. – Denn die Frage muss erlaubt sein: Muss man wirklich alle möglichen Schulen kennenlernen? – Wobei, eine gehässige Bemerkung kann ich mir natürlich nicht verkneifen: Die Branche liebt es bekanntermaßen am allerliebsten ohne Theorie … (leider!).

Psychologie als Bezugsdisziplin für Coaching

Wenige Zeilen später erlaubt die Herausgeberin allerdings einen tieferen Blick in ihre Motivation: Offensichtlich stört sie sich daran, dass vielfach die Psychologie als Bezugsdisziplin für Coaching in Anspruch genommen werde. Und sie, die Herausgeberin, ist nun mal keine Psychologin, sondern Erziehungswissenschaftlerin. Als Professorin an der Internationalen Berufsakademie ist sie zuständig für die Studiengänge Soziale Arbeit & Management sowie Soziale Arbeit, Management & Coaching. Soll eine solche, spezielle Motivation nun einer breiten Zielgruppe Appetit auf die Lektüre von über 500 Seiten machen?

Dann wird noch ein weiteres Argument für die Buchproduktion geliefert: Die Herausgeberin stört, dass weitverbreitet die Meinung vorherrsche, nur gesprächstherapeutischer und systemischer Ansatz seien evidenzbasiert. Das kann man – mit Verweis auf die renommierte Wirkfaktorenforschung Klaus Grawes – schon einmal gleich als Irrtum bezeichnen. – Auch wenn die eine oder der andere im Feld anderes denken mögen.

Eine ganzheitliche, interdisziplinäre Coachingausbildung

Aus solcher Motivationslage schließlich abzuleiten, man wolle „ein Grundlagenwerk zum Themenfeld wissenschaftlich fundierte, ‚wahrhaft‘ ganzheitliche, interdisziplinäre Coachingausbildung (…) schaffen“, vermag nur schlicht zu irritieren. Wofür soll also dieses Buch gut sein? Schauen wir es uns einmal an: Das Buch ist in drei Sektion gegliedert, die aufeinander aufbauen: Begeistern – Bewusstmachen – Befähigen. Autorenbeiträge und Interviews addieren sich auf 25 Kapitel von teilweise bekannten, in weiten Strecken aber in der Scientific Community auch eher unbekannten Autoren. Eine Synopse auf der Grundlage einer Inhaltsanalyse stellt die vierte Sektion dar. Hier versucht sich die Herausgeberin darin, „die individuellen Coachingansätze, die in den verschiedenen Kapiteln identifiziert wurden, in einer einheitlichen Coachingmission und -vision zu artikulieren.“

Ein Grundlagenwerk zum Themenfeld?

Wie kann man nun das Werk bewerten? Ich picke mal zwei Kapitel heraus. Als 14. Kapitel erscheint „Nutzen und Stellenwert des NLP für modernes Coaching“. Ein solches Kapitel in einem Buch vorzufinden, dass sich dem Thema Wissenschaftlichkeit verschrieben hat, ist echt ein Affront. Siegried Greif hat sich zum Thema ausführlich geäußert (Woran erkennt man pseudowissenschaftliche Theorien …?). Fazit: NLP kann man nicht als wissenschaftlich bezeichnen.

Es gibt auch einige schöne und gehaltvolle Beiträge im Buch. Doch der Epilog, der sich über 50 Seiten erstreckt, wird seinem Anspruch und den wissenschaftlich-methodischen Anforderungen nicht gerecht: Da hat die Herausgeberin mal ihre zusammenfassenden Erkenntnisse mittels Inhaltsanalyse aus den 25 Kapiteln „destilliert“. Nein, das hat mich nicht überzeugt. Also zurück zur Aufgangsfrage: „Warum ein weiteres Buch zu Coaching?“ – Gute Frage.

Ach so, noch für’s Protokoll: 11 der 25 Autor:innen sind übrigens studierte Psycholog:innen.

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