REZENSION: Ellen Flies – Embodiment und Emotionen im Coaching 4.0. Springer Fachmedien 2020.
Das Buch offenbart einen neuartigen, zukunftsträchtigen Ansatz im Coaching, der unbedingt ins Coaching-Repertoire übernommen werden sollte. Gleich der Auftakt hat es in sich: Reden (allein) reicht nicht! Denn Interventionen im Coaching müssen auf drei Ebenen ansetzen: der subjektiven Befindlichkeit, dem Verhalten und der Körperlichkeit. Dies haben die Neurowissenschaftler Alica Ryba und Gerhard Roth schon ausführlich und eindrücklich festgestellt (Neurowissenschaftliche Fundierung von Coaching). Ellen Flies, (Lehr-)Psychotherapeutin und Coach aus Bonn, beschreibt in ihrem kleinen Büchlein, wie dieser Abschied von der Kopfgeburt (so der Untertitel) gelingen kann. Sie setzt beim Embodiment und den Emotionen an. Damit befindet sie sich in guter Gesellschaft: Schon seit etlichen Jahren erfreut sich beispielsweise das von Maja Storch und Frank Krause entwickelte Zürcher Ressourcen Modell (Ganzheitliches Selbstmanagement) wachsender Beliebtheit. Auch hier steht das Embodiment, also der ganzheitliche Ansatz an der Körperlichkeit und den emotionalen Bedürfnissen, im Vordergrund.
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Flies baut auf diesem Konzept auf, auch wenn sie es – vermutlich der Kürze des Büchleins geschuldet – nicht weiter ausführt. Neu sind die Integration des Alba Emoting, eine emotionsaktivierende Atemtechnik, die Susana Bloch schon in den 1980er Jahren im Rahmen der Schauspielausbildung entwickelte, und die Achtsamkeitsorientierung (Wie Achtsamtkeit ins Unternehmen gelangt) in der Tradition von Jon Kabat-Zinn (MBSR). Hinzu kommt, ebenfalls über das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) hinausgehend, die Integration des Strategisch-Behavioralen, emotionsaktivierenden Ansatzes in der Tradition des Psychotherapie-Forschers Serge Sulz. Aus diesen Wurzeln hat die Autorin ein praktisches und sehr intensives und wirksames Coaching-Konzept unter dem Akronym SBEAT entwickelt. Sie versteht es als „embodied leadership program“ für Gruppen von Führungskräften.
Der emotionale Autopilot
Im Zentrum steht die von Sulz entwickelte sogenannte Emotionale Überlebensstrategie. Diese Strategie determiniert das individuelle Erleben und Verhalten und erweist sich – oft in Krisensituationen – als einengend und entwicklungshemmend. Sie gilt es daher, durch Achtsamkeit auf den Körper in szenischen Imaginationen zu entdecken und in eine förderliche Lebensstrategie zu transformieren. Das Vorgehen wechselt zwischen einer starken Emotionsaktivierung und deren Reflexion und wird im Buch praktisch nachvollziehbar beschrieben: Klären, Präzisieren, Handeln und Verändern. Im Mittelpunkt steht die Arbeit mit dem sogenannten Emotionalen Ressourcen Pool. Es ist ein Netzwerk verschiedener Emotionen, bei dem primäre und sekundäre Emotionen unterschieden werden. Klienten können die Funktion ihrer Emotionen mittels einer Emotionsskulptur studieren. Ebenfalls kann die Funktion der Emotionen mit der Exploration von Werten, im Coaching schon länger etabliert, verbunden werden. All dies wird an einer das Büchlein durchziehenden Fallgeschichte lebendig dargestellt. – Faszinierend!