INSPIRATION: Ein Gespenst geht um in unserer Arbeitswelt, so könnte man ein berühmtes Zitat in leichter Abwandlung bemühen: Die Künstliche Intelligenz. Die Angst vor ihr lugt aus jeder Ritze der aktuellen Diskussion. Sie wird gerne als Killer-Application gehypt. Die Autoren („Menschen sehen den Wald, nicht die Bäume“), zwei renommierte Professoren, beide Big-Data-Experten, vermitteln den Eindruck, es handelt sich bei KI bloß um einen „Scheinriesen“. Denn KI (machine learning) ist zwar schneller und effektiver als Menschen, aber im Grunde ziemlich dumm. KI kann zwar gut Muster erkennen, weiß mit ihnen aber nichts anzufangen. Unweigerlich muss man an Douglas Adams denken: „Per Anhalter durch die Galaxis“. In dieser Komödie/Satire soll ein Computer den Sinn des Lebens herausfinden. Nach unerträglich langer Zeit gelingt ihm dies auch. Mit dem Ergebnis, 42, kann aber niemand etwas anfangen.
Menschen haben Fähigkeiten, so die Autoren, die Maschinen nicht haben und vermutlich niemals erlangen können: Sie können träumen, in Alternativen denken, Sinn erleben. Und man könnte ergänzen: Emotionen erleben (Und ewig lockt die KI). Menschen nutzen dafür Frames (Bullshit-Bingo: Wie Sprache Politik macht), gedankliche Rahmen, Metamodelle (der Begriff entstammt der Kognitionspsychologie). Deshalb können Menschen innovativ sein. Die KI ist wie ein Akkuschrauber, der das menschliche Arbeiten mit dem Schraubendreher schneller und kraftvoller macht. Doch der Akkuschrauber weiß nicht, warum er wo irgendwelche Schrauben hinein- oder herausschrauben soll.
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Nur ein dummes Tool?
KI ist folglich bloß ein Werkzeug und man kann damit auch Blödsinn produzieren, wie das Paul Watzlawick zugeschrieben Bonmot so schön formuliert: „Wessen einziges Instrument ein Hammer ist, der sieht auf der ganzen Welt bloß Nägel.“ Wer also in der Vergangenheit schon schlechte Personalauswahl betrieben hat (Schmidt sucht Schmidtchen), verlängert und perfektioniert dies mit dem unreflektierten KI-Einsatz nur in die Zukunft. Garbage in, garbage out. Beispiele dafür haben wir schon etliche gesehen.
KI kann auch nicht richtige Fragen stellen, sie liefert bloß Antworten, von denen sie selbst nicht weiß, ob sie zum Problem passen: „Maschinen können Bedingungen permutieren, aber ihnen fehlt die Fähigkeit zum zielgerichteten Träumen.“ Hier könnte man eine Brücke zum systemischen Denken (Ideengeschichtliches Panoptikum) schlagen, was die Autoren allerdings nicht tun. Der ethische Imperativ nach Heinz von Foerster lautet: „Vermehre die Möglichkeiten!“ In den Worten des Autors de Véricourt hört sich das so an: „Je mehr verschiedene Frames eine Organisation nutzen kann, desto besser ist sie dafür [sich an neue Situationen anzupassen] gerüstet.“ Frames sind situationsabhängig. „One fits all“ oder „Wie gestern so morgen“ funktionieren nicht. „Framing ist wie ein Muskel, den man trainieren sollte.“ Was wäre, wenn …?
Ein reflektierter (intelligenter!) KI-Einsatz kann hilfreich sein. Die Autoren liefern einige Beispiele, die ein solches Vorgehen illustrieren. Dazu braucht es Menschen auf dem Fahrersitz, sonst wird die Angelegenheit zum gefährlichen Blindflug.
Interessant im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit von KI finde ich den Artikel „Sicherheitspolitik und Literatur: Das Kriegsorakel“
aus der Süddeutschen Zeitung vom 4. April 2024. Vor allem unter dem Gesichtspunkt Zukunft als Verlängerung der Vergangenheit bzw. dessen, was zum Analysezeitpunkt der KI zugänglich ist und was die KI für Zukunftsszenarien leisten kann und was nicht, bzw. was für komplexe Abschätzungen in unserer VUCA-World nicht hinreicht. Zitat aus dem Artikel:
„Es stellte sich im Laufe des Projekts heraus, dass KI, die oft beim Entwurf möglicher Zukunftsszenarien verwendet wird, für diese Analysen nur bedingt
hilfreich ist. „Das, worauf es im politischen Diskurs ankommt, erkennt die KI eben noch nicht: Zwischentöne, Untertöne, Ironien, Ambivalenzen,
Doppeldeutigkeiten“, sagt Wertheimer. Mit solchen Feinheiten umzugehen, ist aber gerade die Kernkompetenz von Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern.“
Und weiter: „Die Literatur absorbiert den ganzen kulturellen Raum, fokussiert ihn auf ein Szenario und wirkt damit wieder auf die Wirklichkeit ein“, erklärt Wertheimer. „Das Grollen im Untergrund, wage ich zu behaupten, kann die Literatur früher feststellen als andere Medien.“