18. November 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Keine Empathie

KRITIK: Jeffrey Pfeffer ist ein Professor an der Stanford University und hat Bücher zum Thema Macht und „Leadership Bullshit“ geschrieben. Das Interview mit ihm ist verstörend und desillusionierend. Lehren wir Führungskräften und angehenden Führungskräften das Falsche?

Hier einige Thesen: Lügen sind nicht schlecht, wir alle lügen, und das ständig. Wäre Lügen schlecht, würde man es sanktionieren. Das Gegenteil passiert: Wer lügt, hat im Beruf Erfolg. (Der Erklärung, dass Lügen nur dann schlecht wäre, wenn es sanktioniert würde, kann ich nicht so ganz folgen, aber das gilt auch für weitere Thesen.)


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Menschen wollen belogen werden. Zum Lügen gehören immer zwei: Derjenige, der lügt, und der, der an sie glauben will. So ist das auch mit Feedback: Menschen wollen keine Feedback, sie wollen hören, wie wunderbar sie sind. Was bedeutet das? Ich muss misstrauisch durch die Welt laufen und erst mal gar nichts glauben?

Mit Empathie und Authentizität kommt man keineswegs weiter, dafür gibt es keinerlei Beweise. Manager kümmern sich nur um sich selbst, man sollte nie davon ausgehen, dass sie sich ernsthaft Gedanken um andere machen. Beispiele, dass Lügner und Betrüger ein Unternehmen vor die Wand fahren und kurz danach woanders im Board sitzen, gibt es genug.

Statt den Menschen mit moralischen Plattitüden zu kommen und ihnen eine Welt vorzuspiegeln, die es gar nicht gibt, sollten wir sie lieber auch das vorbereiten, was sie wirklich erwartet, „und das ist nicht die Welt der authentischen Führungsrkräfte„. („Die Menschen leben gern in einer Fantasiewelt“)

Im HBM wird der Professor als „leidenschaftlicher Realist“ beschrieben. Und das soll wohl die eigentliche Botschaft sein: Glaube nur das, was wirklich wissenschaftlich bewiesen ist! Lass dir keine Märchen erzählen, sieh die Welt so, wie sie wirklich ist. Und die Wirklichkeit ist nun mal nicht die der empathischen, fürsorglichen, authentischen Manager, sondern der egoistischen, lügenden und betrügenden.

Pfeffer ist skeptisch gegenüber jeder Art von angesagter Managementlehre: Wer sagt, dass man der erste am Markt sein muss? Die First Mover Theorie stimmt nicht. Wer sagt, dass man schnell entscheiden muss? Entscheidungen in Gruppen mögen zwar langsamer sein, aber können sie nicht auch besser sein? Wer sagt, dass hierarchiefreie Organisationen besser sind? „Hierarchie ist die natürliche Ordnung der Dinge.“ Und so weiter…

Was können wir nun als Trainer, Organisationsentwickler und Führungskraft daraus lernen? Dass wir aufhören, Managern mit den Segnungen des Feedbacks, der Empathie und Kooperation zu beglücken? Könnte man meinen, wenn da nicht auch dieser Satz auftaucht. Eine Ex-Studentin berichtete ihm, wie sie einem Vorgesetzten Feedback gegeben hat, weil es in dem Unternehmen hieß, offenes und konstruktives Feedback „sei die einzige Art und Weise, wie man sich verbessern könne.

Der Satz, so Pfeffer, stimmt, sie ist empirisch korrekt. Nur meinte man das im Unternehmen nicht ehrlich, also wurde die Frau gefeuert. Wenn aber der Satz empirisch belegt ist (und das dürfte auch für Zuhören, Empathie, Kooperation, Ehrlichkeit usw. gelten), dann stehen wir vor einem Dilemma: Wir wissen, was besser funktionieren könnte, aber wir wissen auch, dass in den meisten Unternehmen darauf keinen Wert gelegt – entgegen allen hehren Leitlinien und Verkündungen.

Was also tun? Beides vermitteln, oder? So wie wir unseren Kindern beibringen, nicht zu lügen und anderen Menschen zu helfen, aber gleichzeitig auch ihnen erklären, dass sie nicht damit rechnen können, dass alle so denken und handeln, so sollten wir Teilnehmern und Studierenden beide Seiten erläutern. Und dann erklären, dass es ihre Entscheidung ist, in Organisationen zu arbeiten, in denen man nach außen von Empathie und Kooperation faselt, aber wirklich Karriere nur derjenige macht, der sich rücksichtslos durchsetzt. Pfeffer meint, „dass wir Sozialwissenschaften unterrichten sollten„. Seine Studenten reißen sich um seine Kurse, sagt er, weil er sie auf die Welt vorbereitet, wie sie da draußen ist.

Gar nicht so einfach, oder? Ich habe keinen seiner Kurse besucht, nach dem Interview hätte ich wenig Lust dazu. Es klingt irgendwie hoffnungslos.

Ach ja: Der Ex-Studentin, die ihrem Chef schonungslos Feedback gegeben hat und dann gefeuert wurde, hätte ich gefragt: „Haben Sie ihn vorher gefragt, ob er an dem Feedback interessiert ist?“ Zumindest empfehle ich das immer Seminarteilnehmern, wenn es um das Geben und Nehmen von Feedback geht. Ob man das in Stanford nicht erklärt?

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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