1. Oktober 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Mit Zuhören anfangen

INSPIRATION: Es ist nicht das erste Interview von Gary Hamel, das wir hier besprechen. Und wirklich neu sind die Aussagen des amerikanischen Management-Gurus auch nicht. Aber es enthält weitere Aspekte seines Ansatzes, die lesenswert sind. Diesmal geht es um die Bürokratie innerhalb von Organisationen (Wir führen wie vor 100 Jahren). Er behauptet, dass sich nur 25% derselben auf äußere Einflüsse zurückführen lassen, der Rest sei hausgemacht.

Eine interessante Zahl: Seit 1983 ist die Zahl der Manager und Verwaltungsmitarbeitenden um ca. 150% gestiegen, während die anderen Beschäftigtengruppen nur um 40% zugenommen haben. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen ihre Zeit damit verbringen, andere zu verwalten, zu kontrollieren und zu koordinieren.


Anzeige:

Manchmal stecken wir fest: in der Zusammenarbeit, in Veränderungsprozessen, in Entscheidungs-Zwickmühlen oder in Konflikten. Dann kann Beratung helfen, die Bremsen zu lösen, um wieder Klarheit und Energie zu entwickeln. Wir unterstützen Sie mit: Führungskräfte-Coaching, Teamentwicklung, Konflikt- und Organisationsberatung. Zur Webseite...


Aber warum ist das so? Hamel nennt drei Gründe: Wir sind es so gewohnt – zumindest in großen Organisationen, und können uns daher nicht vorstellen, dass es auch anders geht. Zudem sind wir bequem. Wenn wir einmal eine Position errungen haben, sehen wir keinen Grund daran etwas zu ändern. Das wäre aufwendig und vielleicht auch unsicher.

Horizontale statt vertikaler Kontrolle

Und schließlich haben wir Angst vor Kontrollverlust. Wo kämen wir hin, wenn es keine Chefs mehr gäbe, die alles im Blick haben? Hamel sagt, es geht auch anders. Klare Ziele, Transparenz, systematisches Feedback. Und hat auch Beispiele wie den Stahlhersteller Nucor. Dort gibt es keine zentrale Qualitätssicherungsabteilung, keine detaillierten Vorgaben. Nur transparente Leistungsdaten, so dass jeder sieht, wie jedes Werk abschneidet. Horizontale statt vertikaler Kontrolle. In Deutschland krempelt Bayer die Organisation nach den Hamelschen Vorstellungen um (Hamels eifrigster Schüler).

Und dann wird natürlich wieder Haier genannt, der chinesische Küchengerätehersteller mit 4.000 Mikrounternehmen, bestehend aus 10 bis 20 Mitarbeitenden, eigenen Gewinn- und Verlustrechnungen, die alle ihre eigenen Wachstumsprognosen abgeben. Und wo das Grundgehalt niedrig ist, aber die Prämien sich an der Erreichung der Ziele ausrichten. Es scheint zu funktionieren, dürfte aber auch zu einem enormen Leistungsdruck führen. Der Nachteil der „horizontalen Kontrolle“?

Es gibt auch einen ganz praktischen Tipp, wie man sich von der (internen) Bürokratie löst: Die Mitarbeitenden befragen, welche Regeln und Prozesse nerven und aufhalten, welche Reports überflüssig sind, welche Entscheidungsprozesse die Abläufe verzögern. Und dann messen, wie viel Zeit hierfür draufgeht.

Anschließend wird experimentiert. Nicht auf einmal alles über den Haufen werfen, sondern ausprobieren. Das eine oder andere weglassen und schauen, was passiert. Je mehr und je schneller, desto rascher wird sich auch die Organisation ändern.

Loslassen

Dazu braucht es Manager, die loslassen können. Was ein Problem darstellt, denn dazu braucht es echte Leader. Gemeint sind Menschen, die gestalten und weniger verwalten wollen. Und die Freude daran haben, andere zu inspirieren. Solche gibt es. Und es gibt jene, die mehr die Fachleute sind und nur deshalb auf dem Job sitzen, weil sie nicht anders Karriere machen konnten. Und die sich freuen, wenn sie wieder mehr inhaltlich arbeiten können.

Aber es gibt auch diejenigen, die auf Status und Titel aus sind. Für sie stellen andere Organisationsformen eine Bedrohung dar. Sie werden die ersten sein, die erklären, dass die meisten Mitarbeitenden nun mal Angst vor Verantwortung haben. Oder klare Ansagen, Orientierung und Kontrolle brauchen.

Kein Persönlichkeitsmerkmal

Hamel hält das für ein großes Missverständnis. Schöner Satz: „Menschen haben nicht grundsätzlich Angst vor Verantwortung – sie haben Angst vor Verantwortung ohne Einfluss.“ Weil sie gelernt haben, dass es in vielen Organisationen besser ist, weil sie Ärger bekommen, wenn etwas schief geht und es daher besser ist, nicht zu entscheiden bzw. Entscheidungen den Vorgesetzten zu überlassen. Ein Problem der Kultur und eben kein Persönlichkeitsmerkmal (Übrigens hält Hamel auch die Angst vor Veränderungen für ein Missverständnis: Produkte ihrer Zeit).

Da werden jetzt viele aufschreien und vehement widersprechen. Kann ich nachvollziehen angesichts zahlreicher Erfahrungen, die man als Führungskraft, aber auch als Kollegin macht. Da kann man schon mal verzweifeln, wenn man Menschen Entscheidungsmacht überträgt, aber diese damit nichts anfangen können. Oder lieber eine ruhige Kugel schieben.

Kopf einziehen

Ob das ein Persönlichkeitsmerkmal ist, lasse ich mal dahingestellt. Könnte ja auch sein, dass sie viel früher gelernt haben, lieber den Kopf einzuziehen, wenn es anspruchsvoll wird. Und schlechte Erfahrungen gemacht haben, wenn sie etwas riskiert haben. Wer ängstlich ist und extrem sicherheitsbedürftig, wird sich immer schwer tun, „Verantwortung mit Einfluss“ zu übernehmen.

Und vermutlich extrem viel „Pflege“ bedürfen, bis er mit anderen Rahmenbedingungen klarkommt. So viel Zeit dürfte kein Manager und keine Organisation haben. Nur muss man dafür komplette Organisationen danach ausrichten und all diejenigen frustrieren, die solche Verantwortung gerne übernehmen wollen?

Teile diesen Beitrag:

Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

Alle Beiträge ansehen von Johannes Thönneßen →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert