30. Juli 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Moral folgt einer Logik

INSPIRATION: Könnte es sein, dass Historiker in der Zukunft über unsere Art zu leben die Köpfe schütteln werden? So wie wir heute es nicht nachvollziehen können, dass es tatsächlich mal Zeiten gab, in denen niemand damit ein Problem hatte, Sklaven zu halten? Tatsächlich, so der Historiker Rutger Bregman, hielten sich zu allen Zeiten die Menschen ihren Vorfahren gegenüber moralisch überlegen (Wie schaffen wir es, für jene, die nach uns auf diesem Planeten leben, weitblickende Vorfahren zu werden?). So hielten sich die Römer für zivilisiert, weil sie keine Kinder den Göttern opferten – aber kein Problem damit hatten, Menschen zur Belustigung anderer an wilde Tiere in der Arena zu verfüttern.

Und hätten sie damals konsequent nachgedacht, hätte ihnen dieser Widerspruch auffallen müssen. Weil, so Bregman, Moral einer Logik folgt. Man muss nicht besonders weitsichtig sein, um die Irrtümer zu erkennen. Tatsächlich gibt es auch in jeder Epoche Stimmen, die das Verhalten kritisch sehen. Aber sie setzen sich nicht sofort durch, es braucht seine Zeit. Der Rest nämlich duckt sich weg, will von den unbequemen Fakten nichts wissen. Begnügt sich mit „Mittelmäßigkeit“. Nach dem Motto: Wir sind doch schon weit voran gekommen, und so schlimm wird es schon nicht werden.

Wodurch aber ändern sich die Moralvorstellungen dann wirklich? Dazu gibt es offenbar ein Muster. Einer muss den Anfang machen. Unter dem Nazi-Regime nahmen nur wenige die Gefahren auf sich, jüdische Mitbürger zu verstecken. Es gab eine Bedingung, die gewöhnliche Bürger dazu brachte: „Man musste gefragt werden.“ Bregman erklärt, dass jeder Mensch einen „persönlichen Kipppunkt“ hat, ab dem er zur Tat schreitet. Und das passiert, wenn wir durch andere inspiriert werden.

Sich um die richtigen Probleme kümmern

Und was könnte es sein, das zukünftige Historiker an unseren Moralvorstellungen bemerkenswert finden werden? Und von dem wir selbst schon wissen, dass es nicht richtig sein kann? Naja, zum Beispiel der Umgang mit anderen Lebewesen. „Wenn man beginnt, seinen moralischen Radius auf seine Mitlebewesen zu erweitern, ergibt es wenig Sinn, an einem bestimmten Punkt zu stoppen, zum Beispiel bei Tieren.“ Ist die heutige Massentierhaltung das, was bei den Römern der Sklavenhandel war? Wer Bilder aus den Stallungen gesehen hat, sollte doch eigentlich nicht anders können als auf Fleischkonsum zu verzichten, oder? Tja, wir ducken uns weg, wohl ahnend, was spätere Generationen von uns halten werden. Ganz zu schweigen vom Klimawandel und dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen.

Nun gut, es braucht also Menschen, die vorausgehen. Die Superspreader, die andere infizieren mit ihren Ideen. Und die verstehen, wie sie in deren Köpfe gelangen und sie überzeugen können. Strategische Empathie besitzen. Wie das gehen soll? Bregman gibt ein Beispiel: Als Aktivisten (die Abolitionisten) erkannten, dass sich niemand für das Schicksal der Sklaven interessierten (Bitterer Vergleich: So wie man hierzulande niemanden davon abhält, von Kindern in asiatischen Fabrik gefertigte Billigkleidung zu erwerben), machte man auf das Schicksal der Seeleute auf den Skalvenschiffen aufmerksam. Das führte zu einem Aufschrei. Würde es also funktionieren, wenn man auf das Schicksal der Arbeiter in den Schlachthöfen oder den Tierfabriken hinweisen würde? Ich bin skeptisch.

Man könnte hier zur Tagesordnung übergehen. Das alles weiter wissenschaftlich beleuchten. Etwa als Historiker. Aber Bregman will mehr. Er hat die School for Moral Ambition mitbegründet. Dort versucht man, brillante Fachleute von den Konzernen wegzulocken und sie an „echten Problemen“ arbeiten zu lassen. Wie z.B. der Massentierhaltung. Oder dem tödlichsten Objekt der Menschheitsgeschichte – der Zigarette.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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