3. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Reflexion auf Augenhöhe?

KRITIK: Wer sich die Mühe macht, Trainees einzustellen, um eine ganzheitliche Ausbildung zu gewährleisten, und dafür Top-Absolventen sucht, der möchte natürlich sicher gehen, auch die richtigen Kandidaten zu finden. Dazu entwickelte man bei Beiersdorf ein angeblich hoch modernes Assessment Center. Es erfasst die „Learning Agility“. Was das sein soll?

Ein ganz alter Hut, aber so ein richtig alter. Gesucht werden Menschen, die „die Bereitschaft und Fähigkeit besitzen, aus Erfahrungen zu lernen und diese erfolgreich unter neuen Bedingungen anzuwenden.“ (Beyond Borders) Anders ausgedrückt: Es geht um „zukunftsgerichtete Metakompetenzen“ wie „Lernpotenzial, Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit“. Und wie erfasst man diese Bereitschaft und Fähigkeit? Indem man Kandidaten im Assessment Center dabei unterstützt, mit Leitfragen ihren bisherigen Karriereweg zu reflektieren, sie in einem halbstandardisierten „Speed-Cruiting“-Interview befragt und ihnen Aufgaben stellt. Was sonst. Allerdings erhalten sie immer eine „zweite Chance“, d.h. sie bekommen Feedback von erfahrenen Führungskräften, diskutieren dieses „auf Augenhöhe“, und dann schaut man, wie sie hieraus lernen und was sie beim nächsten Mal anders machen.


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Angeblich finden die Führungskräfte, dass sie ein tieferes Verständnis über die Kandidaten erhalten und die Teilnehmer, dass sie das „wachstumsorientierte Feedback als sehr bereichernd“ empfinden.

Was, bitteschön, soll denn eine „gemeinsame Reflexion auf Augenhöhe“ sein? Wie bei jedem AC sitzen auf der einen Seite die Kandidaten und auf der anderen die Beobachter. Und wie immer ziehen Beobachter ihre Schlüsse aus dem beobachteten Verhalten. Mehr noch: Sie sprechen über das, was sie gesehen haben, mit den Kandidaten und schauen dann, was diese daraus machen. Ein solches Zwischenfeedback ist schon seit 20 Jahren Teil von Assessment Centern – wenn das bei Beiersdorf neu ist, dann haben die Berater ganze Arbeit geleistet.

Aber es ändert nichts an dem Machtgefälle zwischen Beobachtern und Kandidaten, von Augenhöhe keine Spur. Die cleveren Kandidaten werden schnell herausfinden, was man in den Folgeübungen von ihnen sehen will, und entsprechend agieren. Was man damit erfasst, ist eben diese Cleverness. Das war schon zu allen Zeiten im AC nicht anders.

Augenhöhe tatsächlich herstellen

Mit ein wenig Fantasie könnte man allerdings diese Augenhöhe tatsächlich herstellen. Wie wäre es etwa, Kandidaten und Beobachter gemeinsam in Übungen zu schicken? Und dann geben anschließend auch die Kandidaten den Beobachtern ein Feedback, wie sie die Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit der Führungskräfte im Unternehmen wahrnehmen. Um sich zu überlegen, ob sie mit diesen Managern zusammenarbeiten möchten.

Oder man gibt ihnen die Möglichkeit, mit einem halbstandardisierten Interviewleitfaden, den sie selbst entwerfen, eine Auswahl von Führungskräften zu befragen, um sich ein Bild davon zu machen, mit wem sie es bei ihrem potenziellen Arbeitgeber zu tun bekommen werden. Das wäre ein Verfahren auf Augenhöhe. Ich möchte ein Unternehmen sehen, dass seinen Führungskräften ein solches Vorgehen zutraut.

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