INSPIRATION: Mal angenommen, Ihre Arbeitsleistung wird durch persönliche Probleme beeinträchtigt: Würden Sie damit zu Ihrem Chef gehen? Und wie sollte dieser dann reagieren? Empathisch, sollte man meinen. Aber auch er hat in diesem Fall ein Problem. In dem Fall, der in der Wirtschaftswoche geschildert wird (Fordern und fühlen), ging ein Mitarbeiter zu seinem Vorgesetzten, weil er sich in der neuen Umgebung nicht wohl fühlte, seine Freunde vermisste und sich mit dem aktuellen Projekt überfordert fühlte. Die Antwort des Chefs: „Willst du eine Wurstbude aufmachen – oder dieses Projekt leiten?“
Empathisch ist sicherlich anders, aber die Situation alltäglich. Ob die Kinder krank sind, die Ehe kriselt, Corona überfordert, depressive Verstimmungen beeinträchtigen – es gibt viele Gründe, am Arbeitsplatz nicht voll bei der Sache zu sein, davor ist niemand geschützt. Ob man damit tatsächlich zu seinem Vorgesetzten geht, wird jeder selbst entscheiden müssen: Je nachdem, wie dieser schon in anderen Situationen reagiert hat, kann man sich die Folgen ausmalen. Zeigt er keinerlei Verständnis, ist eigentlich klar, dass man dort nicht auf ewig ausharrt, sondern sich – hoffentlich rechtzeitig – nach einem anderen Job umschaut. So wie der Mitarbeiter in dem oben beschriebenen Fall.
Anzeige:
SOUVERÄN FÜHREN | FREUDE BEI DER ARBEIT | NACHHALTIGER ERFOLG. Mein individuelles Business Coaching entwickelt Ihre Führungskräfte gezielt: Klar werden für neue Denkansätze, Gelassenheit gewinnen, Herausforderungen bewältigen, überraschende Lösungen finden. Wie das geht? Warum mit mir? Erfahren Sie hier mehr …
Mitarbeitende im Regen stehen lassen?
Wobei es überall Führungskräfte gibt, die allen Ernstes der Meinung sind, dass Privates im beruflichen Umfeld nichts zu suchen hat und daher jeder selbst dafür zu sorgen hat, dass er seine maximale Leistung bringen kann. Was sicherlich auch etwas mit der Unternehmenskultur zu tun hat: Wo Führungskräften vermittelt wird, sie seien für das Ergebnis ihres Teams verantwortlich, bleibt es nicht aus, dass sie letztlich nur dieses Ergebnis im Blick haben.
Aber was könnten Führungskräfte tun, um eine solche Situation erst gar nicht zu einem größeren Problem werden zu lassen? Die Tipps der Experten, die ich aus eigener Erfahrung nur unterschreiben kann:
Ratschläge
Schaffen Sie eine Plattform, in der auch persönliche Befindlichkeiten und Probleme angesprochen werden können, etwa in einer „Aufwärmrunde“ zu Beginn eines Meetings. Das funktioniert auch bestens in Zeiten von Corona im Rahmen von Videokonferenzen. Einfach jedem die Gelegenheit geben, zu Beginn kurz zu berichten, wie es ihm geht und was ihn gerade beschäftigt. Wer so etwas einführt, sollte allerdings Geduld mitbringen: Mitarbeiter werden sich zunächst zurückhalten und sehr genau hinschauen, was mit ihren Äußerungen geschieht. Erst, wenn sie feststellen, dass diese Offenheit nicht missbraucht wird, werden sie auch über private Dinge, die ihre Arbeit beeinflussen, berichten.
Es genügt übrigens, einfach nur reihum erzählen zu lassen – ohne Kommentare, ohne Nachfragen. Dass sich hieran ein Einzelgespräch anschließen kann, ist klar. Hört eine Führungskraft heraus, dass jemand in einer größeren Krise steckt, kann sie dazu ein Gespräch anbieten. Wer so weit ist, bei dem dürfte das Thema „Empathie“ vermutlich kein Problem sein.
Das Team als Ressource
Überhaupt: Es hilft schon ungemein, viele Dinge in der Gruppe zu besprechen. Regelmäßig informieren, wo man gerade steht, welche Dinge anstehen. Jedem Mitglied auch die Möglichkeit geben zu erzählen, woran es gerade arbeitet, was dabei gut und was wenig gut läuft. Das macht vielleicht sogar die „Aufwärmrunde“ überflüssig – oder eignet sich als Einstieg. Auf diese Weise erfahren alle, dass ihre Belange ernst genommen werden und schaffen es irgendwann auch mal zu berichten, dass es mehr persönliche Dinge sind, die sie gerade besonders beschäftigen.
Und beim Vier-Augen-Gespräch? Zuhören, keine Ratschläge geben, nicht sofort mit Hilfsangeboten kommen. Fragen, welche Unterstützung sich der Mitarbeiter wünscht. Vor allem aber: Auch die eigenen Situation offen ansprechen. Führungskräfte, die sich in der oben beschriebenen Umgebung bewegen und selbst stark unter Druck stehen, sollten durchaus auch offen über die eigene Befindlichkeit sprechen. Keine leichte Sache, das kann schnell so rüberkommen: „Mag sein, dass Sie es gerade privat schwer haben, aber ich muss an meine Umsatzziele denken, also sehen Sie mal zu, wie Sie das geregelt kriegen!“. Andererseits: Immer noch besser zu wissen, warum eine Führungskraft Druck macht, als sie für völlig verständnislos zu halten. Wenn es gut läuft, findet man ja vielleicht zusammen eine Lösung.