8. Juni 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Woker Kapitalismus?

KRITIK: Ich freue mich immer, wenn jemand versucht, Struktur in ein schwammiges Thema zu bringen. In diesem Fall geht es um die nach wie vor heiß diskutierte Frage, ob sich Unternehmen in gesellschaftliche Themen einmischen sollten. So wie es Edeka vor den Wahlen 2025 getan hat und sich mit Anzeigen gegen eine rechtspopulistische Partei positioniert hat. Da ist man dann schnell bei der Frage, wozu Unternehmen denn eigentlich da sind. Im Shareholder-Ansatz war die Sache irgendwie klar: Unternehmenszweck ist, den Profit für die Eigentümer zu steigern. Wunderbar: Eine Zielgruppe, ein Zweck. Fertig.

Unternehmer, die sich bis dahin auch in der Pflicht gegenüber den Mitarbeitenden, der lokalen Umgebung, der Umwelt, den Lieferanten und den Kunden sahen, entsorgten plötzlich alles, was nicht unmittelbar zu Profit führte. Und merkten, dass die ausschließliche Ausrichtung auf den Shareholder so einige seltsamen Konsequenzen nach sich zieht: Lohndumping, Umgehung von Umweltstandards, Wettbewerbsabsprachen, Lieferanten-Knechten. Was zum einen den Ruf nach staatlichen Regulierungen, zum anderen neue Konzepte auf den Plan rief: Der Stakeholder-Ansatz war geboren.


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Plötzlich erklärten auch große Kapitalgesellschaften, wie wichtig es sei, dass sich Unternehmen gesellschaftlichen Werten widmen. Was, laut Markus Väth in der managerSemiare, zu einem Ausschlag in die andere Richtung führte: Dem „Woke Capitalism“ – Wirtschaft mit Haltung und Moral (Der Haltungsfetisch hat im Business nichts verloren). Was nun wiederum auch seltsame Blüten treibt, denn nun scheint sich alles um Themen wie Moral, Gendern, Purpose, Diversität, Inklusion usw. zu drehen. Mit der inzwischen bekannten Gegenreaktion, sogar bis hin zum Verbot einiger der genannten Begriffe.

Der wahre Unternehmenszweck

Arme Unternehmer. Was sollen sie tun? Zurück zum Profit? Natürlich nicht. Ihr Zweck ist laut Väth, „qualitativ gute Produkte zu einem vernünftigen Preis unter annehmbaren Bedingungen für Mensch und Planet herzustellen“. Da möchte man sofort zustimmen. Ist aber nicht so einfach. Darüber, was Qualität ist, mag man sich noch einigen. Was vernünftige Preise sind, vielleicht auch noch. Aber was sind denn annehmbare Bedingungen? Ist es annehmbar, in einem Land mit einer menschenverachtenden Diktatur zu produzieren, um sich einen Markt zu sichern? Extrem niedrige Löhne zu zahlen, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Menschen zu beschäftigen, die rassistische Ansichten vertreten? Nur mal als Beispiel.

Väth bezieht sich auf Max Weber und den Begriff der „Gesellschaftssphären“. Womit die oben angesprochen Struktur gemeint ist. Es gibt Sphären wie die Politik (hier geht es um Macht), die Kunst (Ästhetik), die Religion (Transzendenz), Wirtschaft (Geld) usw. Was leider zu Missverständnissen führt, denn natürlich geht es in der Politik nicht nur um Macht, und in der Wirtschaft geht es natürlich auch um Macht – wie auch in der Religion. Und auch in der Kunst geht es um Geld.

Ich würde daher lieber von den vorherrschenden Werten sprechen. Also könnte man vereinfacht sagen: Keiner der zugrundeliegenden Werte darf zu dominant werden, sonst passiert das, was wir immer wieder beobachten: Überwiegt der Wert Macht, sind im schlimmsten Fall Kriege die Folge. Dominiert die Religion, entstehen Gottesstaaten, die jedes menschliche Leben mit moralischen Geboten belegen. Bei einer Dominanz des Geldes haben wir den Turbokapitalismus.

Dominanz der Religion?

Nun zum „Woke-Capitalism“: Laut Väth droht hier eine Dominanz der Religion, denn Moral ist nun mal deren Domäne. Statt in der Kirche werden nun die Messen in den Kühlregalen gefeiert, nur wird uns nicht der Glaube an einen bestimmten Gott, sondern an eine bestimmte Haltung vorgeschrieben. Da, so verstehe ich Väth, sollten sich Unternehmen dann doch lieber ihrer wichtigsten Sphäre, nämlich dem Geld, widmen – ohne die anderen Werte gänzlich zu vernachlässigen.

Hilft das dem Unternehmer nun weiter? Nicht wirklich, finde ich. Unternehmer müssen sich ständig fragen, ob das, was sie tun oder das, was sie unterlassen, nach ethischen Maßstäben vertretbar ist. Wie jeder von uns. Unternehmer aber (wie Menschen überhaupt, deren Einflusssphäre größer als die von „normalen“ Menschen ist) in besonderem Maße, weil sie besondere Aufmerksamkeit genießen. Egal, was gerade „angesagt“ ist, ob nun Shareholder, Stakeholder, Turbo- oder „woker Kapitalismus“: Wohl dem, der zu allen Zeiten klare Werte vertritt und sein Verhalten gelassen an diesen ausrichtet.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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