KRITIK: Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fallen oft durchs Raster der Forschung. Daher sind empirische Daten aus dem Feld interessant. Diese Befunde zum „Homeoffice-Effekt“ stimmen aber eher nachdenklich.
Die Autorin (Flexible Arbeitsgestaltung nach der Coronapandemie) fragte sich, ob die Coronapandemie auch Spuren in der Arbeitspraxis der KMU hinterlassen hat. Speziell interessieren sie betriebliche Maßnahmen zur orts- und zeitflexiblen Arbeitsgestaltung. Das ist gleich schon mal eine bemerkenswerte Einschränkung oder Reduktion auf Homeoffice-Fragen, die auch im großen Rahmen schon erkannt und bedauert wurden. Da sei doch gleich auf das New-Work-Barometer verwiesen (Die Mühen der Ebene).
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Doch schauen wir uns zunächst einmal die Studie der Autorin an – ehe wir zum Thema New Work und Empowerment kommen; und der Frage: Ob New Work ein Bürohengst-Thema ist? Mit einer Online-Umfrage wurden 190 Beschäftigte aus zwölf verschiedenen Branchen befragt.
Einseitige Stichprobe
Leider ist die Stichprobe stark einseitig ausgefallen. Es dominieren hier die Dienstleister (28,22%), gefolgt von der Branche der IuK-Technologie (14,72%). Nimmt man nun noch die Branchen Finanzen (7,36%) sowie Wissenschaft/Forschung (6,75%) sowie Bildung und Tourismus (1,23%) hinzu, addiert sich das auf knappe 60 Prozent für den Bereich Wissensarbeit/Dienstleistung. Die anderen 40 Prozent verteilen sich auf das verarbeitende Gewerbe (13,50%), die Bau- (3,68 %) und Energiebranche (3,07 %), das Handwerk (3,07 %), einen nicht näher beschriebenen „Unternehmenssektor“ (2,45 %) und andere Branchen wie beispielsweise der Pharma- oder Automobilindustrie (14,72%). Da könnten sich so einige Fragen, beispielsweise die nach dem Branchenschlüssel, aber vor allem natürlich die nach der Repräsentativität aufwerfen.
So wundert es nicht, dass als ein Ergebnis kolportiert wird, „dass das Büro auch in Zukunft der primäre Arbeitsort bleibt, die Beschäftigten sich jedoch auch wünschen, an anderen Orten arbeiten zu können.“ Solches erscheint dann doch arg überinterpretiert. Wobei die Beschäftigten sich von ihren Unternehmen zudem die Möglichkeit wünschen, in Zukunft auch in Cafés oder Co-Working-Spaces arbeiten zu können.
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden
Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird am häufigsten von den Beschäftigten genannt. Dicht darauf folgt der positive Aspekt des Freizeitgewinns durch wegfallende Fahrten, das Erleben einer „besseren Work-Life-Balance, einer höheren Produktivität und der Reduktion von Stress.“ Wenn ich da an die Buchhaltung denke, klingt das recht plausibel. Was fehlt oder wird beklagt? Natürlich der mangelnde Austausch mit Kollegen, die Gefahr der Entgrenzung der Erreichbarkeit, aber auch Vereinsamung, Kreativitätseinbußen. Und mangelnde technische Ausstattung. Zudem, dass sich die Unternehmenskultur und die Führung an die neuen Verhältnisse noch nicht angepasst hätten.
Daher wünschen sich die Mitarbeitenden „regelmäßige Teammeetings, Kernarbeitszeiten, Teambuilding-Maßnahmen, die virtuelle Zeiterfassung sowie eine Online/Offline-Anzeige durch eine entsprechende Software.“ Wobei sich diese Wünsche branchenspezifisch clustern: Beschäftigte aus den Branchen der Wissenschaft/Forschung, der IuK-Technologien, dem dienstleistenden und dem verarbeitenden Gewerbe wünschen sich mehr Austauschmöglichkeiten. Die Beschäftigten aus den Branchen Bildung, Finanzen, Handwerk und Bau sehnen sich nach fest geregelten Zeiten der Erreichbarkeit, und dass man sie nach Feierabend nicht kontaktiert.
Führung und Organisation
So zeigt sich in dieser Studie – die insgesamt methodisch doch eher entwicklungsbedürftig erscheint, auch im Vergleich mit anderen, größeren Studien (Hybridität als Normalität) – als mehr oder weniger blinder Fleck das Thema Führung und Organisation. Von New Work scheint man in KMUs noch weit entfernt zu sein. Selbst die mittlerweile bekannten hilfreichen Erkenntnisse zur Gestaltung von Homeoffice (Wessen einziges Instrument ein Hammer ist) scheinen nicht in der Breite angekommen zu sein. Oder das Thema spezifische und datensichere Apps (Jenseits des Büros). Die schiefe Stichprobenverteilung lässt auch für diesen Bereich den Schluss zu, das Thema New Work sei vermutlich ein Bürohengst-Thema (Down to Earth).
Letztlich erkennt man schlicht und einfach die gewaltigen Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen bei den Themen Führung und Organisation. Wir werden daher auf weitere Daten – und vielleicht auch Best Practices – zum Thema leider warten müssen.