KRITIK: Es gibt, glaube ich, nichts, was eine Führungskraft nicht können sollte – soll heißen: Eine Führungskraft muss alles können. Unter anderem eben auch Coaching. Das vor allem, glaubt man der aktuellen Fachpresse. Aber stimmt das?
Thomas Webers beschreibt in der managerSeminare (Ein unmöglicher Spagat), welche Fähigkeiten und Verhaltensweisen von Coaches einer Führungskraft gut zu Gesicht stehen: Zuhören, Fragen, Metaperspektive einnehmen, Komplexität und Dynamik beachten. Wer möchte da nicht zustimmen? Aber sind Führungskräfte deswegen auch gleich Coaches ihrer Mitarbeiter?
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Die ganze Diskussion ist vermutlich ziemlich müßig. Wenn ein Vorgesetzter einem Mitarbeiter zur Hand geht und ihm hilft, ein Paket die Treppe hinauf zu tragen, ist das kollegial – ist der Chef dann auch sogleich der Kollege? Wenn eine Führungskraft eine Motivationsrede hält wie ein Fußball-Trainer – ist er dann der Trainer seiner Mitarbeiter? Und wenn er Schulnoten für die Leistung des letzten Jahres vergibt, ist er dann ihr Lehrer?
Will sagen: Eine Führungskraft ist eine Führungskraft, sie nimmt diese Rolle ein wie ein Coach, ein Trainer und ein Lehrer ihre Rolle einnehmen – mit allem, was dazu gehört. Und wenn man sich von den anderen eine Scheibe abschneidet, weil man damit besser fährt – warum nicht?
Und wie in jeder Rolle gibt es eben auch in dieser Dilemmata, die es auszuhalten gilt. Man schaue sich nur den Lehrer an: Er bringt seinen Schülern etwas bei, damit sie am Ende ihre Klausuren und Prüfungen bestehen – und muss ihnen dann doch ein Ungenügend bescheinigen. Oder den Trainer: Er holt das Beste aus dem Sportler heraus, setzt ihn aber anschließend auf die Ersatzbank, weil es doch nicht gereicht hat.
Selbst in unserer Rolle als Eltern sind wir davon nicht verschont. Wir möchten die Vertrauten unserer Kinder sein, dass sie uns alles sagen können und uns voll uns ganz vertrauen – aber das werden sie sich gut überlegen, wenn sie etwas angestellt haben, von dem sie wissen, dass es unangenehme Konsequenzen für sie hat.
Also lassen wir den Coaches ihre Rolle so wie wir den Führungskräften die ihre lassen. Und wenn der eine sich etwas von dem anderen abschauen kann, was ihm hilft, in seiner Rolle erfolgreicher zu sein, sollten ihn niemand davon abhalten.
