12. März 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Ein Kompass des Handelns

REZENSION: Elisabeth Göbel – Unternehmensethik. Grundlagen und praktische Umsetzung (7. Aufl.). UTB 2024.

Vermutlich fragen wir uns alle in den letzten Tagen und Wochen mehr denn je, ob der „Welt da draußen“ der moralisch-ethische Kompass [endgültig?] zu entgleiten drohe und statt bewährten Werten das „Recht des Stärkeren“ unaufhaltsam auf dem Vormarsch sei. Umso relevanter ist es vor diesem aktuellen Hintergrund, auf einschlägige Literatur zu diesem Thema zurückgreifen zu können. Dabei kommt dem Rezensenten noch vor der Lektüre das auf einer Tagung vom Referenten sinngemäß wiedergegebene Zitat eines erfahrenen Krankenpflegers in den Sinn: „Ethik – das ist doch nur etwas für Leute, die nicht wissen, was sich gehört!“. In dieser Aussage mag eine Menge Lebensweisheit stecken, gleichwohl macht auch eine verschriftlichte, theoriebezogene Auseinandersetzung mit solchen Fragen viel Sinn. Und dazu hat die Autorin, Prof. Elisabeth Göbel von der Uni Trier, die mittlerweile siebte Auflage ihres Werkes „Unternehmensethik“ publiziert, das damit möglicherweise als ihr Lebenswerk gelten mag, allemal knapp 400 Seiten, umklammert von ehrfurchtgebietenden Hartbuchdeckeln.

Den Beginn macht ein (sehr interessantes) Grundlagenkapitel, in dem zentrale Begriffe wie Freiheit & Verpflichtung, Moral, Recht & Ethos, Gesetze & Normen mit oder ohne sittlichen Gehalt sowie verschiedene Typen der ethischen Argumentation wie Gesinnungsethik, Pflichtethik oder Folgen-/Verantwortungsethik unterschieden werden, außerdem noch Individual-/Institutionsethik oder Utilitarismus. Im Anschluss daran wird die Ethik der Ökonomik = der Wissenschaft vom wirtschaftlichen Handeln gegenübergestellt, bewusst nicht der Ökonomie als übergeordneter Disziplin und dazu in der Folge gleich mehrere Modelle zu deren Wechselwirkungen beschrieben.

Grundlagen und Anwendung

Danach geht es im Rahmen einer angewandten Wirtschaftsethik auf Mikro-, Meso- und Makroebene um deren praktische Umsetzung im Rahmen der Unternehmensverantwortung. Letztgenannte wird dann wiederum aufgefächert in eine analytische Komponente, nämlich die sog. Stakeholder-Analyse, welche Partei in welcher Weise von der jeweiligen Unternehmensaktivität betroffen ist. Dazu bieten sich ethische Prinzipien wie Menschenwürde, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit bis hin zum Tierschutz an, wobei solche Interessen rasch miteinander konfligieren können und dann der Abwägung untereinander bedürfen, dabei auch rasch zu Gewinneinbußen führen können.

Daneben steht dann die strategische Komponente bei der verantwortungsbewussten Ausrichtung der Unternehmensziele. Für deren Umsetzung wieder sind die jeweiligen Unternehmensmitglieder, insbesondere die Führungskräfte sowie Vorstand/Geschäftsführung zuständig, welche ihrerseits die personale Komponente ausmachen. In diesem Zusammenhang werden dann die Grenzen der Weisungsbefugnis, die Ethik der Führungsbeziehung oder das Unternehmensleitbild sowie die Unternehmenskultur, aber auch die Mitarbeiterverantwortung bis hin zum sog. Whistle Blowing diskutiert.

Konsequenzen

Konkrete Auswirkungen ergeben sich dann zum Beispiel für die Personalauswahl einschließlich der Gestaltung von Stellenanzeigen (samt der daraus resultierenden Selbstselektion), Vergütung, Leistungsbeurteilung & Incentivierung bis hin zu Kontrollsystemen, Integritätsprogrammen & Compliance und Corporate Governance. Neben organisationsinternen Strukturen setzen aber auch überbetriebliche Institutionen dem Handeln Grenzen durch Gesetze & Verordnungen, Berufs- & Standesregeln samt Kontrollinstitutionen.

Insgesamt liefert das Buch damit einen hilfreichen „Rundumschlag“ zu dem dahinterliegenden Themenkomplex. Es wird dabei einem gewissen Vollständigkeitsanspruch gerecht, der sicher auch durch die fortgesetzten Neuauflagen abgerundet worden sein dürfte. Gerade die sechste Vorgängerauflage scheint – laut Vorwort – insbesondere vor dem Hintergrund der „Corona-Krise“ aktualisiert worden zu sein, bei der hier besprochenen siebten Auflage kam wohl „nur“ der European Green Deal hinzu, also der Wunsch nach mehr ökologischer Nachhaltigkeit als sozial-ökologische Wende. Doch von solchem Feintuning abgesehen bleibt das Werk so zeitlos wie die darin behandelten Grundfragen der Menschheit oder der Unternehmensführung. Die Darstellungsweise und der Schreibstil sind gut verständlich, das Schriftbild – insbesondere durch die fettgedruckten Hervorhebungen – ist ansprechend.

Andererseits ist – und bleibt – es ein nüchtern-sachlich akademisch angehauchtes Lehrbuch, dessen Darstellungsweise sich trotz plausibler Beispiele auf einem recht hohen Abstraktionsniveau bewegt. Sicher keine Strandlektüre, sondern eher ein einschlägiges Referenzwerk oder gar Prüfungsvorbereitungsliteratur aus gegebenem Anlass. Doch zu solchen Zwecken hat es sicherlich einen „Ehrenplatz“ im Bücherregal verdient. Diesen dann nicht allzu weit hinten. Weil ethische Fragen momentan immer dringlicher werden, auch wenn Bücher zu diesem Thema wohl schwerlich am Nachttisch des aktuellen amerikanischen Präsidenten vorzufinden sein werden.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert