KRITIK: Das Thema Resilienz ist ein „vergiftetes Geschenk“. Wie man es dreht oder wendet, es greift nicht richtig, produziert Nebenwirkungen oder hinterlässt ein ungutes Gefühl. Kann man es retten? Oder wie würde ein Schuh draus?
Wir haben schon mehrfach auf die paradoxe Botschaft von Resilienz hingewiesen: Da wird die Latte recht hoch aufgelegt, so dass viele gleich ein schlechtes Gewissen bekommen. Vor allem, wenn man es als Falle für Individuen konstruiert: Du bist nicht resilient genug, dann tu‘ was! – Und dabei die (miesen) Verhältnisse ausblendet, in denen sich die Einzelnen oft befinden. Eine zynische Nummer. Da waren wir (ISO 100075) schon einmal deutlich weiter.
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Andere laufen unter der Latte durch. Mit viel Aktionismus und Geschrei faken wir uns die Resilienz zusammen (… merkt doch keiner!). Oder man koppelt beide Taktiken, indem man Resilienz-Manager installiert. Die sollen Organisationen krisenfest machen. Was für eine geniale Idee: „Und wenn Du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis“. Ein Outsourcing des Problems, keine Lösung. Das hat nun auch die Wissenschaft herausgefunden. Autor Stephan Kaiser, seines Zeichens Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine BWL, insbesondere Personalmanagement und Organisation an der Universität der Bundeswehr München, stellt eine wissenschaftliche Studie vor und leitet Konsequenzen für die Praxis ab (Resilienz braucht Rückhalt!).
Hast Du ein Problem?
Das Fazit ist schnell vorgetragen: Viele Resilienz-Manager*innen haben in der eigenen Organisation zu wenig Rückhalt, Ressourcen und Anerkennung. „Das beeinträchtigt nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die organisationale Resilienz insgesamt.“ Tja, denke ich mir: Hast Du ein Problem? Oder bist Du ein Teil desselben? Darüber sollte man doch mal nachdenken. Wird Resilienz an einen Resilienz-Manager outgesourct, wird dieser zum Sündenbock. Den jagt man bekannterweise (so kann man in der Bibel nachlesen) in die Wüste.
Das Perfide daran ist, diese Manager haben oftmals nicht nur wenig Einfluss, sie tragen trotzdem eine hohe Verantwortung. Das könnte man nach Bateson oder Watzlawick auch einen klassischen Double Bind nennen. Die Resilienz-Manager sind die Müllwerker („Dirty Work“) der Organisation. Und werden dafür auch noch symbolisch stigmatisiert: „Sie werden als ‚Verantwortliche für das Unerwünschte‘ wahrgenommen.“ Eine Mission Impossible, denn das Erwünschte, die Resilienz, ist doch ein Idealzustand, den man langfristig nicht erreichen/aufrechterhalten kann.
Oder bist Du ein Teil desselben?
Resilienz macht nur als Prozess betrachtet Sinn. Und dann sollte man es doch besser gleich Betriebliches Gesundheitsmanagement (Von wegen Gesundheit) nennen. Das macht der Autor aber nicht, er weist lediglich auf die nötige Präventionsarbeit hin. Seine Hinweise, die Studie aus Praxissicht weiterzudenken, zielen allerdings in die richtige Richtung, Rückdelegation: „Sie sollten strategisch positioniert werden, idealerweise mit direkter Anbindung an die Geschäftsführung.“ Der Sündenbock kommt zurück und lädt den Müll vor der Haustür der Geschäftsführung ab! Sauber! Ähhh, ich meine, igitt, das müffelt.
„Darüber hinaus sollten regelmäßige Reflexionsräume, interdisziplinäre Austauschformate und psychologische Unterstützungsangebote institutionalisiert werden.“ So, so …, die Idee hatten wir auch schon (Team-Resilienz): Wie denn, wo denn, für wen? Warum adressiert man das Thema nicht gleich ans Betriebliche Gesundheitsmanagement (Schlüsselrolle der Führungskräfte)? Dass man sich Gedanken über die Kompetenzen solcher Experten machen muss, keine Frage. Der Autor nennt beispielhaft „emotionale Intelligenz, Ambiguitätstoleranz und politische Kommunikationsfähigkeit“.
Und wer bringt den Müll raus?
Ach nee, das ist mir doch allzu seicht und zu wenig ambitioniert. Eine Entstigmatisierung des Themas zu fordern, wie das andere schon vorgeschlagen haben (Top-Management – bringt’s das?), ist nett, aber zahnlos. Leider scheint eine solche Argumentationsmethode heute „modern“ zu sein, es häufen sich die Beiträge (Macht New Work krank?). Warum sprechen wir nicht wieder über BGM (An apple a day …?)? So würde ein Schuh draus …
Ich habe zunehmend den Eindruck, so einige Autoren wollen (!) – vielleicht sogar wider besseres Wissen – diesen Weg der Tugend nicht gehen. Weil Resilienz irgendwie schicker klingt?
