INSPIRATION: Fügen wir den ungezählten Definitionen von Führung eine weitere hinzu – wobei vorausgeschickt werden sollte: Auch diese ist natürlich nicht vollständig und wird dem „Phänomen Führung“ nicht gerecht, aber sie macht zumindest deutlich, was auf jeden Fall dazugehört: Die Kernaufgabe moderner Führung ist „das Gestalten von Beziehungen zwischen Menschen im Sinne einer zweckdienlichen Wertschöpfung“.
Die Autoren Kaduk und Osmetz erklären in der managerSeminare (Are you connected?) einen Aspekt von Führung, der zwar überall betont wird, aber meist in Nebensätzen. Oder als Erfolgsfaktor für Karrieren, z.B. wenn aufstrebenden Menschen erklärt wird, wie Netzwerken funktioniert. Aber dass man als Führungskraft nur dann erfolgreich führt (auch im Sinne: Die wirtschaftlichen Ziele erreicht), wenn man Beziehungen gestaltet, wird vielleicht weniger beachtet – oder als selbstverständlich erachtet.
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Worum geht es? Zunächst einmal um einen Perspektivenwechsel. Also nicht das volle Scheinwerferlicht auf die Führungskräfte richten, „auf die ’scheinbaren Akteure‘ der Führung“, sondern auf das Beziehungsgeschehen. Das nämlich lässt sich nicht nur von der einen Seite gestalten, auch wenn die Beziehung asymmetrisch ist, und ob es gelingt, hängt eben nicht nur von den Führungskräften ab.
Menschen mit Zeit begegnen
Trotz dieser weisen Erkenntnis geht es anschließend doch wieder um die Führungskräfte. Und um Prozesse und Praktiken in Unternehmen, wie diese Beziehungsarbeit gestaltet und unterstützt werden sollte. Ein Musterbeispiel stellte angeblich der Abtprimas der Benediktiner Notker Wolf dar. Als Abt besaß er keine formale Macht, er führte, indem er zuhörte. Den Menschen mit Zeit, ohne Distanz, mit gegenseitigem Respekt begegnete und ganz bei ihnen war, wenn er ihnen begegnete. Um „als Katalysator für die Ideen und Gedanken der ihm Unterstellten zu dienen, damit sie ihren eigenen Weg finden“. Wie man das macht, und dabei das unternehmerische Ziel nicht aus den Augen verliert, müsste an anderer Stelle erklärt werden.
Hier kommt nun ein weiterer Aspekt ins Spiel. Das klingt nämlich alles so, als müssten Führungskräfte sich bemühen, tiefe Beziehungen zu ihren Mitarbeitenden aufbauen, und das ist, wie wir alle wissen, kaum möglich. Solche entwickeln wir eher im näheren sozialen Umfeld, aber kaum in größerem Maßstab in Arbeitsbeziehungen.
Schwache Bindungen entscheiden
Ist auch nicht nötig. Es gibt nämlich Beziehungen, die unscheinbarer, mit schwacher Intensität daherkommen, aber durchaus mächtig sind. Angeblich sind „Kollektive mit zahlreichen schwachen Bindungen besser in der Lage, sich zu organisieren und gemeinsame Ziele zu verfolgen“. Solche schwachen Bindungen sind Brücken, oder besser: Schmiermittel für das Gelingen von Arbeitsbeziehungen.
Und wie kommt es zu solchen Bindungen? Das ist nun wirklich kein Hexenwerk. Wenn wir Menschen begegnen, sollten wir – wie oben erwähnt – ganz bei ihnen sein. Ihnen aufmerksam zuhören, sie bewusst wahrnehmen. Menschen wollen gesehen, wahrgenommen, ernstgenommen werden. Sie wollen Würde und Verständnis erfahren. Und das geht eben nicht, wenn ich in Gedanken schon beim nächsten Meeting bin, während des Gesprächs meine Chatverlauf kontrollieren oder überlege, wie und mit welchem Führungsstil ich denn gerade bei diesem Menschen mein Ziel erreichen kann (Stets den richtigen Schläger wählen).
Zuhören als Kulturleistung
Spannend dabei: Es sind eben nicht nur die tiefschürfenden Gespräche, das empathische, gefühlvolle Eingehen auf den Anderen in Krisensituationen (was natürlich auch notwendig und wichtig ist), das Führungskräfte beherrschen sollten. Es geht um die Reaktivierung der „Kulturleistung des respektvollen Gesehen-Werdens und des nicht berechnenden, erwartungsfreien, neugierigen, wahrhaftigen Zuhörens.“
Eine Kunst, die nun erst einmal gar nichts mit Führungskräften zu tun hat. Tatsächlich gibt es Menschen, die eine große Stärke auf diesem Gebiet haben, und die keine formale Führungsposition innehaben. Und gerade deshalb großen Einfluss in Organisationen haben. Vielleicht sollte man, wenn man denn unbedingt solche Positionen beibehalten möchte, darauf achten, diese Menschen zu finden und mit Führungsaufgaben betrauen …
1. Führungskräfte und Mitarbeiter haben keine Liebes- oder Freundschaftsbeziehung. Es geht um die Erfüllung eines Arbeitsvertrages – der gilt für beide Seiten.
2. Wie sie den gestalten ist Verhandlungssache.
3. Jedes Diktat, wie Führung zu sein hat ( wie in diesem Fall) , scheitert an handelnden Personen, Kulturen und Situationen.
4. Es gilt für beide , kontextbezogene Werte zu leben.