INSPIRATION: Das ist das alte Thema, was uns eine Weile unter dem Titel „Wissensmanagement“ beschäftigt hat. Damals versuchte man, Wissen in Datenbanken zu packen bzw. Menschen zu bewegen, ihr Wissen dort abzulegen. Heute setzt man auf andere Tools. Und auf eine Methode, die sich „Working Out Loud“ nennt. Ich habe vor zwei Jahren das erste Mal davon gelesen und einen Beitrag dazu geschrieben (Working Out Loud). Und am Ende die Frage gestellt, ob ich wohl jemals wieder etwas davon hören werde – oder gar von einem Durchbruch.
Nun, ersteres ist jetzt passiert. Damals hieß es, bei Bosch hätte man die Methode begeistert aufgegriffen, und tatsächlich berichten jetzt Mitarbeiter von Bosch im Personalmagazin von den Fortschritten, die man damit gemacht hat (Networking bei Bosch). Aus dem Artikel geht allerdings nicht wirklich hervor, wie das genau abläuft. Soviel ist deutlich: Es geht darum, dass Menschen sich über Unternehmensgrenzen hinweg austauschen, voneinander lernen und Zugang zu Leuten finden, die man noch gar nicht kennt, die einem aber sehr gut weiterhelfen könnten.
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Mit anderen Worten: Menschen werden dazu gebracht, sich mit Experten zu vernetzen, die man genau dann ansprechen kann, wenn man deren Wissen benötigt. Entwickelt hat die Methode ein Amerikaner namens John Stepper, der im Interview („Nicht originell, aber wirksam„) erzählt, dass all das seinen Anfang damit nahm, dass sich ein Blogger namens Bryce Williams der Frage widmete, was man tun muss, damit Mitarbeiter Kollaborationstools, die es ja inzwischen zuhauf gibt, im Unternehmen sinnvoll nutzen. Das nämlich werden sie nur dann tun, wenn sie einen konkreten Nutzen erleben.
Die Tools einfach einführen, an die Menschen appellieren oder irgendwelche Incentives daran knüpfen, funktioniert nicht und hat auch nie funktioniert. Was also dann? Die Antwort lautet: Menschen zusammen bringen. Entweder in „echt“ oder virtuell, und zwar in kleinen Gruppen. Menschen, die ähnliche Interessen haben und vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Und ihnen ein kleines Programm an die Hand geben, das sie Woche für Woche bearbeiten.
Klingt gar nicht so schwierig. Im Gegenteil – das ist so leicht umgesetzt, dass man es bei Bosch tatsächlich gar nicht irgendwo beschlossen hat, sondern Mitarbeiter die Sache selbst in die Hand genommen haben und Working Out Loud Circle (WOL) ohne Auftrag von oben und ohne Budget gestartet haben, als „Graswurzelbewegung“. Allein der Ansatz gefällt mir, hat was Subversives.
Konkret bedeutet das: Vier bis fünf Mitarbeiter bilden eine WOL-Circle, sie treffen sich einmal die Woche für eine Stunde und bearbeiten nach dem Fahrplan des „Erfinders“ ihre Themen. Es fängt an damit, dass jeder erst einmal erzählt, warum er mitmacht. Dann beschreibt jeder seine Ziele, die er mit dem Verfahren erreichen möchte, und überlegt sich, ob andere ihm dabei helfen können.
Es geht weiter damit, dass jeder eine Liste von Leuten erstellt, die ihn unterstützen könnten, und bei den nächsten Sitzungen wird überlegt, wie man zu diesen Menschen Kontakt aufnehmen kann, ob sie online zu finden sind, auf welchen Plattformen, wie man seine Online-Präsenz verbessern kann, wie man anderen seine Ziele mitteilt und schließlich, wie man das Netzwerken zur Gewohnheit macht und am Ende, in der zwölften Woche, wird sich gegenseitig gefeiert.
Ich hatte das Vorgehen mit dem Modell der kollegialen Beratung verglichen, das gut funktioniert, aber selten in Organisationen zur Gewohnheit geworden ist. Der Unterschied hier: Das Vorgehen ist durchorganisiert, es gibt eine Art Handbuch für jede Sitzung, mit Checklisten und Fragenkatalogen sowie konkreten Handlungsanleitungen für die Zeit zwischen den Sitzungen. So eine Art Trainingsprogramm in kleinen Gruppen, das irgendwann abgeschlossen ist und die Teilnehmer dazu ermuntert, sich vor allem online zuvernetzen und Kontakte zu Experten zu pflegen.
Bei Bosch ist man begeistert, das Top-Management ist mit an Bord, der Arbeitsdirektor fungiert als Mentor, aus der Graswurzelbewegung ist ein fest verankertes Trainingsprogramm geworden. Ein neuer Durchlauf mit 320 Teilnehmern steht an, bei dem sich standortübergreifend Mitarbeiter austauschen, deren Sitzungen weltweit online übertragen werden. Klingt, als müsse ich meine Skepsis revidieren.