KRITIK: Da haben uns die Erfinder neuer Begriffe was eingebrockt. Ich meine den Begriff „Talentmanagement“. Er suggeriert, dass es um mehr als um die bekannte Personalentwicklung geht, und auch dieser Begriff war schon immer seltsam. Sind neue Konzepte gefragt? Oder nur andere Begriffe?
Weder – noch, finde ich. Nur endlich mal eine Diskussion darüber, was man denn unter „Talent“ versteht und was mit „Entwicklung“ gemeint ist. Vielleicht kommt ja neuer Schwung in die Diskussion, wenn jetzt auf einmal „digitale Talente“ gesucht und gefördert werden sollen (Wechseln ist angesagt). Weil Unternehmen erkennen, dass sie Kompetenz in Sachen digitale Medien und Industrie 4.0-Anwendungen dringend brauchen, suchen sie in eigenen Reihen nach Mitarbeitern, die sich in diesem Thema weiterentwickeln sollen. Bei Weidmüller hat man eine „Smart Factory“ eingerichtet, in der Mitarbeiter den Umgang mit den neuen Techniken lernen.
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Da könnten doch noch ganz andere Themen besetzt werden. Wie wäre es mit „Konflikt-Talenten“? Menschen, die sehr gut darin sind, bei Konflikten zu vermitteln. Man muss dafür keine „Conflict-Factory“ basteln, da lassen sich sicher andere Trainingsmöglichkeiten schaffen. Oder wie wäre es mit „Verhandlungstalenten“? „Moderationstalenten“? „Organisationstalenten“? „Spaßtalenten“?
So habe ich Personalentwicklung auch immer verstanden – Menschen zu helfen, neue Fertigkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln oder bestehende auszubauen. Und da Menschen die vielfältigsten Talente besitzen, ist es doch völlig unsinnig, mit dem Begriff „Talent“ eine bestimmte Gruppe von Mitarbeitern zu bezeichnen. Soll heißen: Unternehmen müssen einerseits schauen, welche Fähigkeiten sie benötigen, um weiter erfolgreich zu sein. Und sich dann umschauen, wo sie im Mitarbeiterkreis diese schon haben. Umgekehrt aber auch: Wer weiß, was passieren würde, wenn man man ungezielt nach Fähigkeiten und Fertigkeiten Ausschau hält und sich dann überlegt, wie man diese für das Unternehmen sinnvoll nutzen kann?
Fragwürdiger Talent-Begriff
Das wären doch spannende Aufgaben für „Personalentwickler“. In dem Beitrag im Personalmagazin wird diese Verantwortung bei den Führungskräften gesehen. Diese sollen sich nicht „kümmern“, sondern als Mentoren und Coachs auf Augenhöhe mit ihren „Talenten“ reden und gemeinsam überlegen, wie diese sich weiter entwickeln können. Einverstanden, selbst bei Unternehmen, die eigene Personalentwicklungsabteilungen haben, geht es nicht ohne die Führungskräfte. So weit man denn überhaupt noch klassische Führungskräfte hat …
Was zu der Frage führt, welche Verantwortung denn die Mitarbeiter selbst haben. Sind sie nicht diejenigen, die sich in erster Linie um die Entwicklung der eigenen Talente kümmern sollten?
Klar, sollten sie. Würde ich auch jedem Mitarbeiter, der auf der Suche nach interessanten Aufgaben ist, raten. Und sei es, sich außerhalb des Unternehmens umzuschauen. Genau deshalb kommen Unternehmer und Manager eben nicht darum herum, sich Gedanken um Konzepte zu machen. Dass damit nicht nur ein Seminarkatalog gemeint ist, sondern so etwas wie Entscheidungsspielräume, Wechselmöglichkeiten in andere Aufgabenbereiche, Übernahme von mehr Verantwortung (z.B. auch befristet) – all das wäre Talentmanagement. Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen ihre Talente zur Geltung bringen können – und zwar alle, nicht nur ein paar Goldfische im bekannten Goldfischteich.