KRITIK: Wenn ein Manager gefragt wird: „Wie viele Mitarbeitende haben Sie?“, dann liegen die Zahlen so ab 50 aufwärts. Und sie meinen das ganz ernst. Sie sind Chef von 50 Menschen. Nun lese ich in der Wirtschaftswoche, dass Kienbaum eine Spanne von „sieben bis zehn Mitarbeiter pro Führungskraft als Richtwert“ empfiehlt (Der Mehraufwand). Na klar, das ist so nicht gemeint. Hier geht es um den „Mittelmanager“, Menschen, die Teams leiten. Und die sich im Moment fragen, wo die Reise wohl hingeht angesichts der Verwerfungen in vielen Unternehmen.
Da werden ganze Ebenen gestrichen mit der Folge, dass die zu Führenden dramatisch zunehmen. Nach einer Fusion wird das Team drastisch größer. Ein Bereichsleiter soll sich nun gleich um zwei bis drei Fachbereiche kümmern. Hatte er vorher den Vertrieb unter sich, bekommt er das Marketing dazu. Der Vertriebsleiter, der vorher vier Regionen verantwortete, ist nun für acht zuständig.
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Erwartungen an den Mittelmanager
Und alle stellen fest, dass die Menschen in den neuen Bereichen ganz anders ticken, die Kultur von Team zu Team eine andere ist und es richtig Zeit benötigt, um diese zu verstehen. Aber diese Zeit bekommen sie nicht, und sie werden mit der Aufgabe allein gelassen. „Hat ja auch bisher geklappt, Sie kriegen das schon hin!“
Kriegen sie aber nicht. Der Frust bei allen Beteiligten ist vorprogrammiert, und irgendwann fragt sich die Führungskraft, warum sie sich das antut. Und ich frage mich, warum in den Unternehmen offenbar immer noch nicht geklärt ist, was genau man eigentlich von den Inhaber*innen dieser Positionen erwartet.
Zunächst einmal: Was versteht man eigentlich unter einem „Mittelmanager“? Ich habe Führungskräfte in der Produktion erlebt, die 15 und mehr Mitarbeitende auf der Schicht hatten. Die scheinen also nicht gemeint zu sein. Die unterste Ebene ist offenbar fähig, solche Gruppengrößen zu führen. Hängt davon ab, was genau man hier unter „Führung“ versteht, aber ich lasse das mal so stehen.
Führung definieren
In anderen Bereichen gelten dann plötzlich Zahlen wie die oben genannten. Irgendwas um die fünf. Warum? Weil die Aufwand bei einem Team mit komplexeren Aufgaben höher ist? Aber wenn das so ist, dann kann niemand mehr als ein Team führen. Oder hier wird unter „Führung“ wieder was anderes verstanden.
Und spätestens weiter oben führt eine Führungskraft dann eine Zahl X anderer, untergeordneter Führungskräfte. So wie der CEO X Vorstandsmitglieder führt. Moment: Führt ein Top-Manager tatsächlich ein Team? Oder führt die zweite Ebene sich selbst, erst ab der nächsten gibt es so etwas wie ein Team?
Fragen über Fragen. Um zurück zu dem Beispiel am Anfang zu kommen: Wenn der Top-Manager erklärt, er hätte 80 Mitarbeitende, dann führt er diese natürlich nicht – egal was man unter Führung versteht. Andererseits: Mal angenommen, einer der 80 Menschen läuft ihm über den Weg, er hält ihn an und bittet ihn, sich mal eben um eine bestimmte Angelegenheit zu kümmern, dann wird dieser Mensch der „Bitte“ natürlich nachkommen, egal, an was er gerade arbeitet. Und dann hat der Top-Manager den Eindruck, dass er tatsächlich all diese Mitarbeitenden führt. Und wenn der Top-Manager anordnet, dass ein Mittelmanager ab sofort zwei zusätzliche Teams zu „führen“ hat, dann hat er vermutlich auch das Gefühl, gerade „geführt“ zu haben.
Nur sollte er dann diesem Mittelmanager bitte erklären, was genau er von ihm in der Position erwartet. Sicher nicht, wöchentliche Einzelgespräche zu führen. Allen ihm zugeordneten Personen regelmäßig Feedback zu geben. Regelmäßige Teammeetings durchzuführen. Gehaltsverhandlungen mit jedem Einzelnen zu führen. Aber was dann?
1. Wenn man sich über Führungsspannen unterhält oder reflektiert, sollte zunächst geklärt werden, ob es sich um operative oder strategische Mitarbeiter handelt.
Der inhaltliche und systemische Komplexitätsgrad entscheidet über die Führungsspanne.
2. Wenn man sich über Führungsspannen reflektiert oder unterhält, sollte man klären , ob eine Gesamtmenge von zu Führenden gemeint ist oder ob es sich um hierarchisch zugeordnete Mitarbeiter im Rahmen der Delegation handelt.
Der Kapitän eine großen Schiffes hat recht , wenn er sagt: Ich bin der Chef von 2000 Mitarbeitern. Es handelt sich um die Gesamtverantwortung.
Da er sich nicht um jeden einzelnen Mitarbeiter selbst kümmern kann, hat er im Sinne der Delegation, fachliche Stadthalter, die im Sinne der Sache aber auch im Sinne des ganzen Schiffes agieren sollen: Der Küchenchef, der Restaurantleiter usw. Die einzelnen Fachbereichsleiter sind strategische Mitarbeiter, die vielen Servicekräfte sind operative Mitarbeiter.
Die Führungsspanne von 5 -7 Mitarbeiter meint die strategische Führungsspanne. Warum ist das so? Kein Mensch – außer Führungsgötter – kann fachlich und kulturell die unterschiedlichen Themenbereiche grundsätzlich aber auch aktuell überblicken und einigermaßen vernünftige Entscheidungen treffen.
Operative Mitarbeiter kann eine Führungskraft bis zu 25 Mitarbeiter überblicken und führen.
Diese Regeln sind uralt und stammen aus dem militärischen Bereich.
Beispiel aus der Bundeswehr für operative Führung
Ein Zug
Mehrere Gruppen bilden bei Heer und Luftwaffe einen Zug, der bis zu vierzig Personen umfasst. In der Regel haben die Soldatinnen und Soldaten eines Zuges sehr ähnliche Aufgabenfelder. So besteht ein Zug in der Panzergrenadiertruppe aus vier Schützenpanzern mit ihren Besatzungen aus je neun Personen. Also ist in dieser Truppengattung ein Zug 36 Soldatinnen oder Soldaten stark.
Bei der Marine, die Boote und Schiffe hat, heißt diese Ebene Hauptabschnitt. Auf einem Boot gibt es davon zwei: Ein Hauptabschnitt führt das Boot und der andere kümmert sich um die Technik.
Auf einem Schiff, das größer ist als ein Boot, sind diese Hauptabschnitte wegen der größeren Besatzung feiner zergliedert. So haben die Hauptabschnitte „Technik“ mit ungefähr 40 oder „Navigation“ mit 36 Personen nahezu gleich viele Soldatinnen und Soldaten. Die 18 Marineflieger an Bord eines Schiffes bilden ebenfalls einen eigenen Hauptabschnitt.
Beispiel aus der Bundeswehr für strategische Führung/Ordnung
Militärische Organisationsbereiche (Streitkräfte)
Teilstreitkräfte
Heer (H)
Luftwaffe (Lw)
Marine (M)
Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSan)
Streitkräftebasis (SKB)
Cyber- und Informationsraum (CIR)
Zivile Organisationsbereiche
Bundeswehrverwaltung, gegliedert in die drei Organisationsbereiche
Personal (P)
Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN)
Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (IUD)
Militärseelsorge
Rechtspflege der Bundesweh