KRITIK: Der Weg zur digitalen Führungskraft ist nicht mehr weit. Gemeint ist nicht die Führungskraft, die digitale Technologien und Medien beherrscht. Sondern diejenige, die von künstlicher Intelligenz ersetzt wird. Komplett. Oder vielleicht erst einmal in Teilen.
Drei Stufen soll die Entwicklung in Richtung „Artificial Leadership“ durchlaufen (Wenn Künstliche Intelligenz die Führung übernimmt). Die erste ist längst etabliert: Führungskräfte nutzen digitale Technologien, um Menschen zu führen, die nicht unmittelbar in ihrem Umfeld tätig sind. Stichwort hybride oder virtuelle Teams. Hat meiner Meinung nach nichts mit KI zu tun. Wo vorher das Telefon eingesetzt wurde (und hoffentlich immer noch wird), beherrschen heute Video-Konferenzen auch im großen Stil den Alltag. Da passt der Begriff „digital-unterstützte Führungskommunikation“ sicherlich besser.
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Schon gar nicht nimmt hier irgendeine Intelligenz der Führungskraft die Arbeit ab. Es sei denn, sie hat früher selbst Protokoll geschrieben und lässt das nun von einer KI erstellen.
Die KI als Ko-Pilot
Die zweite Entwicklungsstufe ist die der KI als Co-Pilot. Was macht diese aus? KI kann große Datenmengen analysieren und Empfehlungen für Entscheidungen liefern. Sie kann Mitarbeiterbefragungen auswerten und Maßnahmen vorschlagen. Sie kann E-Mails analysieren und „Vorschläge für eine bessere, respektvollerer Kommunikation liefern“. In virtuellen Meetings registriert sie Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen und gibt Hinweise zum Führungsverhalten.
Damit kann sie Führungskräften helfen, ihre Softskills zu verbessern. Denn Studien zeigen, dass „KI als empathischer wahrgenommen werden kann als Menschen, die nicht immer die Zeit und Muße haben“, auf Bedürfnisse einzugehen.
Auch hier ersetzt KI nicht die Führungskraft, sondern höchstens einen Coach. Oder das Feedback durch Kollegen oder Mitarbeitende. Diese müssen nur Grimassen im Meeting schneiden. Oder in Mails verstärkt Enttäuschung und Ärger ausdrücken, dann bekommt die Führungskraft den Hinweis, ein wenig freundlicher zu sein. Oder sich genauer auszudrücken. Ob’s das so kommen wird? Man wird sehen.
KI als Ersatz für Führungskräfte
In Stufe 3 schließlich werden tatsächlich der Führungskraft einige Tätigkeiten abgenommen. Oder noch besser: „Die KI wird zur Führungskraft … (Robo-Manager)“. Es soll Unternehmen geben, die haben eine KI zum CEO gemacht – vermutlich eher ein Marketing-Gag. Was spricht dafür, dass es dennoch irgendwann so weit kommen wird? Hier die Argumente: Eine KI kann viel größere Datenmengen viel schneller verarbeiten als ein Mensch. Sie braucht keine Ruhepausen, ist rund um die Uhr im Einsatz, multitaskingfähig, stressresistent, frei von Emotionen und Interessen.
Welche Führungsaufgaben übernimmt sie also? Konkrete Arbeitsanweisungen erteilen – die Fahrer von Uber erhalten diese z.B. von einer KI. Bei Amazon fordert eine KI selbstständig zusätzliche Arbeitskräfte an, weil sie genau die Auslastung jedes einzelnen Arbeitsplatzes erkennt. Auch bei andere Logistikunternehmen erhalten Mitarbeitende ihre Aufgaben von einer künstlichen Intelligenz zugeteilt.
Abgesehen davon, dass sich der Leser fragt, inwieweit eine KI die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden in der Lage ist zu berücksichtigen – von echten Managementaufgaben kann hier ja wohl kaum die Rede sein. Wer welche Aufgaben zum Erreichen eines Teamziels übernimmt, wird woanders im Team selbst geklärt, dazu braucht es schon länger keine Führungskräfte mehr.
KI als Allrounder
Die Frage ist, wann eine KI in der Lage sein wird, um z.B. Gespräche mit Mitarbeitenden zu führen, ihre Ideen aufnimmt und verarbeitet und dann entscheidet, was umgesetzt wird und was nicht. Die Beschwerden aufnimmt und ohne gekränkt zu sein objektiv betrachtet und die Ursachen abstellt. Die Anregungen von Kunden entgegennimmt, bei der weiteren Planung berücksichtigt und dem Kunden selbstständig eine Rückmeldung gibt. Die Meetings leitet, jeden angemessen zu Wort kommen lässt, niemanden unhöflich behandelt oder gar ignoriert. Die bei Konflikten alle Perspektiven berücksichtigt und mit großer Weisheit Lösungen herbeiführt, die allen gerecht wird.
Während ich das schreibe, denke ich: Diese KI wäre der perfekte Mitmensch, der in jeder Situation hinzugezogen werden könnte. Sie würde am Ende nicht die Führungskraft ersetzen, sondern schlichtweg überflüssig machen. Weil sie den Beschäftigten hilft, ihre Arbeit besser und – vielleicht sogar – viel selbstständiger zu erledigen als mit einer Führungskraft, die sich ständig störend einmischt.
Ob ich das noch erleben werde?