21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Warten auf den Ruck

INSPIRATION: Die digitale Revolution in der öffentlichen Verwaltung – wie sehr wünschen sich das viele in Deutschland! Geplant und versprochen wird so einiges, aber umgesetzt offensichtlich weniger. Zwei Beraterinnen gehen der Sache einmal nach.

Starten wir gleich mit einer Hausnummer. Und die kommt von der Europäischen Kommission: „Im europäischen Vergleich steht Deutschland an Platz 13 von 27 Mitgliedstaaten.“ Die Autorinnen (Digital verwaltet?) stimmen ihre Leserschaft also auf das Stichwort Mittelmaß ein. Sie stellen fünf Hypothesen auf, mit denen sie das Digitalisierungsszenario erklären möchten:


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Föderalismus

„Die föderalistische Struktur macht das Heben von Synergien eher unwahrscheinlich.“ Deutschland steht sich selbst im Weg. An allen Ecken wurschtelt man vor sich hin, doch es fehlt die Koordination. „Den Beteiligten in Politik und Verwaltung ist dies wohl bewusst. Sowohl das Onlinezugangsgesetz (OZG) als auch z. B. das Registermodernisierungsgesetz, die KI-Strategie und die Setzung von ‚Daten-Standards‘ sollen diese Änderungen ermöglichen.“ Doch in der Praxis passiert noch wenig.

Gerangel

„Das Zusammenspiel von Politik und Verwaltung erschwert es einzelnen Behörden, eine zugkräftige Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, die alle Ebenen der digitalen Transformation beinhaltet.“ Man redet nicht miteinander, missversteht sich, redet aneinander vorbei – und schiebt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. „So werden Auswirkungen der digitalen Transformation mit Blick auf strukturelle, personelle und organisatorische Fragen häufig nicht genug berücksichtigt.“ Mal fehlt das Geld, dann das Personal – oder beides.

Kultur

„Die Kulturmerkmale von Stabilität und Rechtssicherheit (Gleichheit) liegen konträr zum iterativen Vorgehen in der digitalen Transformation.“ Minimal Viable Products (MVPs), die iterativen Zwischenlösungen, sind im Zweifel nicht gerichtsfest.

Komplexität

„Die Heterogenität der Aufgaben in der Öffentlichen Verwaltung und damit die Menge an End-to-End-Prozessen erhöht die Komplexität der digitalen Transformation immens.“ Da sind Havarien vorprogrammiert. „Die End-to-End-Digitalisierung verändert als radikale Transformation das gesamte organisationale Gefüge, weil ganze Bereiche (z. B. rund um Antragsbearbeitung etc.) wegfallen. IT-Bereiche sind teilweise schlicht fachlich überfordert, organisationale, prozessuale, kulturelle und personelle Fragen mitzudenken.“

Veränderungsenergie

„Es fällt vielen Beschäftigten schwer, die Möglichkeiten und Chancen der digitalen Transformation zu spüren – dadurch wird wenig Veränderungsenergie erzeugt.“ Mitarbeitende und Führungskräfte fürchten Überforderung oder den Verlust an Arbeitsqualität. „Ein Gesetz (wie z. B. das OZG) als Push-Faktor erzeugt keine attraktive Zukunftsenergie.“ Doch wo soll sie herkommen, die Begeisterung, der Stolz, der Elan?

Fazit

Eine mehr als ernüchternde, wenn nicht gar düstere Diagnose haben die Autorinnen da entfaltet. Und die in Textkästen erläuterten Beispiele – man nehme nur einmal den „Quantensprung“-Output des OZG: Der Bürger kann neuerdings als PDF-Datei herunterladen, was er sich zuvor als Papierformular zu Fuß hat organisieren müssen – unterstreichen den Modus vivendi eindrücklich. „Minimal Viable Products“ kann man auch eigenwillig als „mit geringstem Aufwand den Anforderungen nachgekommen“ übersetzen: Die tun was!

Nun ist das halb leere Glas zugleich halbvoll. Das Fazit der Autorinnen lauter: „Es braucht also einen ganzheitlichen Blick auf die Transformationsprojekte.“ Und dann zählen sie etliche sinnvolle Forderungen auf und beschwören den – wer hätte das gedacht – Kulturwandel.

Es mag in der Tat etliche Change-Projekte in der Verwaltung geben, die funktionieren. Und mehr davon wären sicher wünschenswert. Ob das reicht? Wer erinnert sich noch daran, dass der ehemalige Telekom-Personalvorstand und „Digitalisierungsprophet“, Thomas Sattelberger, als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2022 entnervt das Handtuch warf? Tja, irgendetwas muss da furchtbar schiefgelaufen sein im Staate Dänemark. Sattelberger kündigt übrigens für diesen Herbst ein neues Buch an. Das habe ich schon zur Rezension bestellt (Nach uns die Sintflut).

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